Ausdrucksweisen, die mich nerven

Die eigene Sprache hat viel mit Bewusstsein über die Wirkung von Sprache zu tun. Wir können zurzeit beobachten, wie die Auseinandersetzung über das Gendern in der Gesellschaft unterschiedliche Kreise zieht. Von total ablehnend über „stets bemüht“ bis routiniert und sicher nutzend gibt es ein weites Spektrum im Umgang damit. Sicher ist: Das Reden über das Reden nimmt natürlich auch die Gleichberechtigung an sich in den Blick. Insofern gilt: Sprache wirkt. Immer. Ob du das gerade beabsichtigst oder nicht.

Meine Schwerpunkte im Bereich Sprache und Kommunikation liegen nun jedoch bei klarer und wertschätzender Sprache. Und so habe ich mir zu Nicole Isermanns Blogparade „Geht unsere schöne Sprache den Bach runter?“ eigene Gedanken gemacht.

Ausdrucksweisen, die mich nerven, gibt es verschiedene. Als LINGVA ETERNA Sprach- und Kommunikationstrainerin bin ich da sensibel. Doch auch dir kann es hilfreich sein, auf deinen Ausdruck zu achten. Deine Sprache wirkt auch auf dich selbst.

Stress-Wörter

  • „Ich gehe schnell zum Arzt. Dann spiele ich wieder mit dir.“
    Das hörte ich gestern eine Erzieherin zu einem zweijährigen Kind sagen. Zunächst mal kann das Kind mit dieser Aussage kaum was anfangen. Zum anderen wird die Erzieherin wenig Einfluss darauf haben, wie lange sie im Wartezimmer sitzt. Vermutlich fährt sie auch nur so schnell, wie es erlaubt ist. Dieses „schnell“ kann sie einfach weglassen.
  • „Lauft doch schneller, damit wir endlich zum Spielplatz kommen!“
    Kinder auf einem Weg. Du weißt, was kommt: die Schnecke, die Pfütze, die Nuss, der Bagger. Alles ist interessant. Der Weg ist das Ziel. Sehen, hören, fühlen. Mit allen Sinnen die Welt begreifen. Das ist oftmals genauso wertvoll wie der Spielplatz.
  • „Ihr müsst jetzt mal zuhören.“
    Ein frommer Wunsch würde ich sagen. Das ist schon grammatikalisch keine Aufforderung. Zudem vermittelt das „müssen“ den Kindern einen merkwürdigen Druck, der nur Gegendruck erzeugt. Das glaubst du nicht? Dann bitte einmal dein Gegenüber, dir fünf Sätze mit müssen hintereinander zu sagen. Spüre dem nach und beobachte deine Impulse dazu! Na?

Noch mehr Beispiele aus diesem Bereich und einige Tipps dazu findest du in meinen Artikeln: Wie du dir in der Erziehung weniger Druck machst. und Stress und Sprache.

Negative Verhaltenszuschreibungen

  • „Der Simon ist so ein schreckliches/nerviges/zappeliges/schlimmes/aggressives Kind.“
  • „Sarah ist so eine Petze/Zicke/Nervensäge/Papaliebling.“
  • „Mika ist einfach ungeschickt/schusselig/faul/bequem/fett.“

Ich könnte diese Listen endlos weiterführen. Das habe ich alles schon gehört, von den eigenen Eltern der Kinder ebenso wie von pädagogischen Fachkräften.

Diese Zuschreibungen führen nur dazu, dass sich das bezeichnete Verhalten weiter verfestigt. Zudem ist es abwertend und gerade von Fachkräften erwarte ich hier eine Reflexion dazu. Hilfreicher wäre es, ein Verhalten sachlich im Detail zu beschreiben und zu benennen, welche Lernaufgaben anstehen. Im nächsten Schritt könnt ihr dann über den Lernweg sprechen.

Und mancher Kommentar ist einfach überflüssig. Würdest du so über deine beste Freundin sprechen? Womit wir gleich beim nächsten Thema wären. Was gibt dir das Recht, so über Kinder zu urteilen?

Adultismus

  • „Sei nicht so kindisch.“
    Wer immer hier auch so bezeichnet wird, es ist abwertend gemeint. Es bezieht sich auf etwas scheinbar nicht altersgemäßes, albernes, nicht ernst zu nehmendes Verhalten. Dabei ist es durchaus empfehlenswert, sich öfter mal wie ein Kind zu verhalten: verspielt, unvoreingenommen, nicht nachtragend, neugierig, …
  • „Weil ich das sage.“
    Das ist oftmals das Schlusswort einer Diskussion um etwas, was ein Kind will und eine erwachsene Person nicht (oder das Kind nicht will, die erwachsene Person aber verlangt).

Das gesellschaftlich verankerte Machtsystem – die Machtungleichheit zwischen Kindern und Erwachsenen – wird durch die Sprache deutlich. Genau das bedeutet Adultismus. Partizipation und Gleichwürdigkeit funktioniert anders. Bis ich hierzu selbst einen Artikel geschrieben habe, verweise ich gern auf das Buch von Lea Wedewardt Wörterzauber statt Sprachgewalt.

Kriegs- und Gewaltsprache

  • „Ich hab ein Attentat auf dich vor.“
    Dabei kam die Kollegin nur mit einer kleinen Bitte. Ich halte es für völlig überflüssig, solche Redewendungen in den alltäglichen Sprachgebrauch aufzunehmen. Das Attentat wird damit zum ganz normalen Wort. Wir verlieren den Bezug dazu, wie schlimm ein Attentat wirklich ist.
  • „Ich muss dich jetzt abwürgen, weil ich noch einen Termin habe.“
    Diese Redewendung höre ich manchmal am Telefon. Ich finde das gruselig und mag es mir nicht vorstellen.

Die Nachrichten aus aller Welt bringen uns Begriffe aus der Militärsprache, die ständig laufenden Krimis im Fernsehen alles über Gewaltverbrechen in unsere Alltagssprache. Pass auf, was du täglich so alles sagst. Sprache steckt an. Du hast immer Menschen um dich, die deine Sprache hören. Sie nehmen sie von dir an.

Mehr dazu findest du in meinen Artikeln Friedliche Sprache in der Pädagogik und Kriegerische versus friedliche Sprache. Über den Gebrauch im Alltag.

Das LINGVA ETERNA Sprach- und Kommunikationskonzept, nach dem ich arbeite, macht Sprache bewusst. Du kannst damit klare und gleichzeitig wertschätzende Kommunikation entwickeln.

4 Kommentare

  1. Hallo Heike,

    zwei Anregungen nehme ich aus Deinem Blogparaden-Beitrag mit in meinen Alltag: Bewusst auf das Stresswort „schnell“ zu achten und zu beobachten, ob ich Gewaltwörter verwende; Dein „Telefon-Beispiel“ lies mich aufmerken.

    Herzlichen Gruß aus Limburg
    Manuela

    1. Liebe Manuela, ich freue mich, dass ich dich auf etwas Neues aufmerksam machen konnte. Als Kommunikationsexpertin hast du ja ohnehin schon viel Wissen in diesem Bereich. Herzliche Grüße aus dem Spessart, Heike

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