Sprachbildung in der Kita – Du bist Vorbild!

Zwei Kinder malen mit Rasierschaum auf Backblechen

Sprachbildung in der Kita ist ein elementarer Bestandteil des Bildungsplans. Mein Ziel ist es, viele pädagogischen Fachkräfte zu erreichen und sie sensibel zu machen für eine klare, achtsame und wertschätzende Sprache im Umgang mit Kindern. Denn ich frage mich: Ist es dir als Erzieherin wirklich klar, wie groß der Einfluss deiner eigenen Sprache auf die Sprachbildung jedes einzelnen Kindes ist. Du bist Vorbild!

Über Fehler, gute Vorsätze und ihre Alltagstauglichkeit

„Fehler“ heißt, hier fehlt noch etwas. Was fehlt bei den Fachkräften, ist die Aufmerksamkeit für die eigene Sprache und die Wirkung der Sprache auf Kinder (und ebenso Kolleg:innen, Praktikant:innen und Eltern).

Ich frage mich, ob da in der Ausbildung schon etwas versäumt wurde. Da denke ich mir, das müssten Leiter:innen doch hören und eingreifen. Ich wundere mich über die Duldsamkeit von Eltern, die an anderen Stellen gar nicht so duldsam sind. Oft spüre ich den Druck (z.B. durch Zeit- und Personalmangel), den die Erzieher:innen an Kinder weitergeben. Und ich wünschte mir, dass ich selbst noch viel öfter zur Anwältin der Kinder würde. 

Wir alle sind Menschen. Selbst mit den besten Vorsätzen gelingt es nicht immer, so zu sprechen, wie wir selbst uns dies vorstellen und vornehmen. Das gilt auch für mich. Nobody is perfect.

Es geht mir hier nicht darum, „schlechte“ Erzieherinnen vorzuführen. Wer dies liest, hat per se schon mal ein Interesse für Wertschätzung in der Kommunikation. Nur: Wir sprechen alle so, wie wir es gelernt haben und über viele Jahre von unserem Umfeld angenommen haben. Sprache steckt an. Ohne Reflexion ändert sich da wenig. Und das ist der Schlüssel.

Wie funktioniert Reflexion bei der eigenen Sprache?

Um ein gutes Vorbild in der Sprachbildung zu sein, beginnst du am besten damit: Mache dir bewusst, dass:

  1. Du selbst wahrscheinlich nicht immer und überall vorbildlich sprichst.
  2. Es verschiedene Arten von Kommunikationsfehlern gibt und welche dies sind.
  3. Du mit dir selbst achtsam und geduldig sein darfst beim Reflektieren und neu Einüben deiner Kommunikation.

Nach dem Bewusstmachen und Kennenlernen geht es ans Üben. Dafür findest du hier Die 7 besten Tipps zum Üben.

Heike Brandl sitzt mit Laptop auf Sessel

Typische Fehlerarten und alternative Formulierungen

Die „Fehler“ passieren auf unterschiedlichen Ebenen. Unter den Aufzählungen nenne ich nur die häufigsten, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

In der Interaktion

  • Schon bei der Ansprache geht es los: Das Kind wird ohne Namen gerufen, womöglich quer durch den Raum.
  • Der Blickkontakt fehlt und das Kind hat zu wenig Zeit, um von seinem Spiel in die Interaktion zu wechseln.
  • Die Sprache der pädagogischen Fachkräfte ist voller Aufforderungen.
  • Gleichzeitig werden Aufforderungen oft als Fragen oder Aussagen formuliert oder so komplex, dass das Kind sie regelrecht entschlüsseln muss.
  • Fragen sind häufig geschlossene Fragen, die nur „ja“ oder „nein“ oder „gut“ als Antwort ermöglichen.
  • Der Redeanteil der Erwachsenen ist im Gespräch erheblich höher als der Redeanteil der Kinder.
AnstattBesser
Wie war es bei der Oma?Was hat dir bei der Oma gestern Freude gemacht?
Kommst du mal?Sarina, bitte komm und setz dich zu mir!
Könntest du dir endlich mal merken, dass du deine Hausschuhe aufräumen sollst?Niko, deine Hausschuhe liegen noch hier auf dem Boden. Bitte stell sie ins Regal!

Was kannst du also tun?

Kommunikation beginnt beim Zuhören und gelingt im Dialog. Und Dialog bedeutet, dass zwei Menschen etwa gleich viel Redeanteil haben und dementsprechend gleich viel zuhören. Im LINGVA ETERNA Sprach- und Kommunikationstraining sprechen wir auch von „Hinhören“. 

  • Beobachte dich und deine Redeanteile in Gesprächen mit Kindern. Du bist Vorbild: Indem du zuhörst, werden dir die Kinder auch zuhören.
  • Achte auf eine klare und wertschätzende Ansprache.
  • Gib Kindern, die nachdenken oder denen die Wörter noch fehlen, Zeit. 
  • Stelle offene und konkrete Fragen. 
Heike Brandl zeigt auf ein großes

In der emotionalen Ansprache

  • Die Sprache der Erzieherin ist voller Bewertungen der Verhaltensweisen, Gefühle, Leistungen und Persönlichkeit des Kindes.
  • Die pädagogische Fachkraft verbreitet mit ihrer Sprache Druck und Hektik.
AnstattBesser
Das hast du schön gebaut.Was hast du gebaut? Erklär mir, wie du auf die Idee gekommen bist.
Stell dich nicht so an!Oje, hast du dir weh getan? Magst du, dass ich dich tröste oder lieber ein Kühlakku hole?
Du sollst nicht petzen!Danke, dass du mir Bescheid gesagt hast. Jetzt schauen wir mal, ob Tim Hilfe braucht.
Du bist so ein Zappelphilipp!Maria, ich sehe, dass du nicht mehr sitzen kannst. Was meinst du? Was kann dir helfen, um noch ein paar Minuten aufzupassen?
Wir müssen uns jetzt ganz schnell umziehen zum Turnen.Rechtzeitig beginnen und konkret benennen, was die Kinder aus- und anziehen sollen.

Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu!

Diesen Spruch habe ich seit meiner frühen Kindheit verinnerlicht. Wahrscheinlich habe ich ihn aufgrund der Verneinungen und Satzstruktur nicht gleich verstanden. Ich formuliere ihn um: Sei so zu anderen Menschen, wie du dir wünschst, dass sie zu dir sind.

Rede so mit anderen Menschen, wie du gerne angesprochen werden willst.

Was wünschte ich mir denn als Kind? Wie sollten die Menschen mit mir als kleinem Mädchen reden?

  • Ich wünschte mir, ernst genommen zu werden, mit Bedürfnissen, Ängsten, Interessen.
  • Ich wünschte mir, genauso ruhig angesprochen zu werden, wie Erwachsene – also ohne Schreien, Schimpfen, Bevormunden, Einschüchtern.
  • Ich wünschte mir, motiviert zu werden anstatt vor anderen Kindern (oder Erwachsenen) runtergemacht zu werden, als doof, schusselig oder langsam hingestellt zu werden.
  • Ich hätte gut darauf verzichten können, häufig Sprüche zu hören wie „Dafür bist du noch zu klein.“ oder „Das ist nichts für Mädchen.“ 

Dabei hatte ich keine schreckliche Kindheit, im Gegenteil, ich empfinde sie im Nachhinein als glückliche Kindheit. Meine Eltern taten ihr Bestes. Doch sie gaben das weiter, was sie selbst gelernt und erlebt hatten. Und daher habe ich solche Situationen in Erinnerung. Es gab Lehrer:innen, Verwandte, Trainer:innen, die so mit mir und allen anderen Kindern sprachen. Und ich weiß, die Erwachsenen tun das heute noch. Das gilt auch für Erzieher:innen in Kitas. Die erwähnte ich nur in diesem Abschnitt bislang nicht, weil ich selbst als Kind nicht im Kindergarten war. Es gab einfach keinen in unserem kleinen Dorf. 

Was kannst du also tun? 

  • Mach dir bewusst, wie du als Kind angesprochen wurdest. 
  • Erinnerst du dich an deine Gefühle dazu?
  • Was hat dich verletzt?
  • Was hättest du dir gewünscht?
  • Welche Haltung bringst du mit in die Kommunikation mit Kindern?
  • Nimm Druck und Hektik aus deiner Sprache und sei auch hier Vorbild.
Mockup für ein PDF zum Thema Loben

Auf der Ebene der Sprachqualität

  • Die Sprache ist zu einfach, enthält häufig „das da“, zu wenig Variablen im Ausdruck, zu wenig Adjektive, zu ungenaue Bezeichnungen.
  • Die Sätze der Fachkraft sind häufig unvollständig.
AnstattBesser
Gib mir mal das da!Gib mir bitte den Schneebesen!
Der Auflauf schmeckt heute wieder gut.Das Kartoffelgratin schmeckt heute köstlich.
Ich schneide den Apfel.Ich halbiere den Apfel.
Auf diesem Bild sind viele Fische.Ich sehe einen Wal, drei Haie und einen Rochen.
Komme gleich!Ich schreibe noch meine Bestellung zu Ende und dann komme ich zu euch.

Was kannst du also tun?

  • Nutze eine große Vielfalt in deinem Ausdruck. Es darf auch kompliziert sein. Einen umfangreichen Wortschatz entwickeln Kinder nur durch dein Beispiel.
  • Falls du merkst, dass ein Wort noch fremd ist, frage nach. Vielleicht kennt es schon ein Kind und mag es erklären. Andernfalls erkläre und gib noch ein Beispiel dazu.
  • Ich empfehle dir Sätze mit Subjekt, Prädikat und Objekt zu bilden. Das gilt auch für Kinder, die das selbst noch nicht können. Sei immer eine Stufe über dem Entwicklungsstand des Kindes, mit dem du gerade sprichst. (Natürlich gibt es auch Ausnahmen, z.B. bei Ausrufen wie „Hui“, „Stopp“ usw.)
Sprachbildung Kita: Du bist Vorbild!
Zwei Kinder malen mit Rasierschaum auf Backblechen.

Bei der Berücksichtigung entwicklungspsychologischer Kriterien

  • Das Kind wird zum korrekten Aussprechen eines Wortes aufgefordert, obwohl es das auf der Ebene der Lautbildung (Phonologie) noch gar nicht kann.
  • Die pädagogische Fachkraft fragt das Kind, was auf der Abbildung im Buch oder beim Spiel zu sehen ist, obwohl dem Kind die Wörter offensichtlich nicht präsent sind.
  • Grammatikalische Fehler werden korrigiert, indem die Erzieherin den Satz des Kindes nahezu papageienhaft nachspricht.
AnstattBesser
Sag mal Schmetterling!Kind deutet und sagt: „Malin“
Fachkraft: Ja, da fliegt ein Schmetterling.
Wie heißt das auf dem Bild? (beim Memory)Kind sagt: Haus und …?
Fachkraft: … Oh, du hast den Tiger gefunden.
Kind sagt: Wir sind zum Opa gefahrt.
Fachkraft: Ihr seid zum Opa gefahren?
Fachkraft: Seid ihr mit dem Zug zum Opa gefahren?

Was kannst du also tun?

  • Verzichte darauf, das Kind durch Korrekturen zu beschämen. Es weiß ohnehin, dass es Schwierigkeiten hat.
  • Mit der Ergänzung seiner Sätze und Lücken reichst du ihm eine Art „Krücke“, die es zu dem Entwicklungszeitpunkt eben noch braucht.
  • Biete die grammatikalisch richtige Struktur in einem normalen Dialog an. Bei Erwachsenen würdest du das sicher ebenso machen.
  • Befasse dich mit Sprachentwicklung. Hier findest du weitere Tipps: Mehr als 15 nützliche Links für schlaue Erzieher:innen.
5 fröhliche Menschen am Tisch mit Tablets in Besprechung

Beim Angebot zur Sprachbildung

  • Wann habt ihr zuletzt eure Bilderbücher auf zeitgemäßes Vokabular, Rollenbild, Diskriminierung oder Rassismus durchgesehen? (Gibt es z.B. Bücher mit Feuerwehrfrauen, Rolli-Fahrern, verschiedenen Hautfarben?)
  • Wie ist das bei Fingerspielen, Faschingsliedern und Kreisspielen?
  • Wo gibt es bei euch Sprachbarrieren und wie lassen diese sich mit Piktogrammen, Gebärden und „Leichter Sprache“ überwinden?
  • Gibt es in deiner Kita eine Beauftragte für Sprachbildung, die auf die oben genannten Punkte und eine alltagsintegrierte, entwicklungsgemäße und bewegungsorientierte Sprachbildung achtet? Beim Bundesprogramm Sprach-Kitas gibt es noch jede Menge Tipps und Tools.

Dranbleiben? Dranbleiben!

Du willst ein gutes Vorbild in der Sprachbildung werden. Dann bleib dran und wähle dir gleich einen Punkt aus, den du morgen umsetzen kannst. Erfahrungsgemäß gilt bei neuen Projekten die 48-Stunden-Regel. Was du dann noch nicht begonnen hast, wird eher nichts mehr.

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5 Kommentare

  1. Vielen Dank für diesen Artikel zum Thema Sprachbildung. Gut zu wissen, dass meist der Redeanteil von Erwachsenen höher ist und man versuchen sollte, dies zu vermeiden. Meine Tochter hat Probleme sich in der Kita zu verständigen und wir werden uns auch an die Logopädie wenden.

  2. Vielen Dank für diesen Artikel zur Sprachbildung. Gut zu wissen, dass man sein eigenes Sprechen reflektieren sollte, da man Vorbild für das Kind ist. Ich werde mir auch Hilfe von einem Logopäden suchen, um mein Kind bei der Sprachbildung zu unterstützen.

    1. Liebe Kira,
      ich danke dir für deine Rückmeldung. Spannenderweise ist der Blick bei den eigenen Kindern manchmal gar nicht so genau wie bei denen, mit denen wir beruflich zu tun haben. Und gerade im familiären Umfeld reden wir ja einfach drauflos. Ich wünsche dir gute Erkenntnisse bei der Selbstbeobachtung.
      Liebe Grüße, Heike

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