Klarer sprechen – Die 7 besten Tipps zum Üben

Heike Brandl

Dein Entschluss steht fest! Jetzt soll es endlich vorwärts gehen mit dem „Klarer sprechen“. Doch wie lässt sich das in deinem Alltag praktisch umsetzen? Hier sind meine 7 besten Tipps zum Üben. Gibt es den ultimativen Tipp, um deine Sprache weiterzuentwickeln? Tja, wenn es so einfach wäre … Gewohnheiten ändern ist wohl eher ein Prozess, und der dauert manchmal ganz schön lange.

Es kommt darauf an, an welchen Bausteinen deiner Sprache du etwas weiter entwickeln willst. Manche Marotten haben sich so eingeschlichen und mit ein wenig Aufmerksamkeit wird es dir leicht gelingen, sie wieder hinter dir zu lassen. Das ist zum Beispiel bei den Füllwörtern so.

Bei manchen Themen braucht es deinen ganzen Willen und eine gute Portion Training. Das trifft zum Beispiel bei den drei A zu – Ansprechen mit dem Namen, Anschauen und Atmen bevor du weitersprichst.

Andere sprachliche Aspekte sind tief in uns verwurzelt, und es ist ein tiefgreifender Prozess, neue Strukturen und Denkmuster zu entwickeln. Das ist beispielsweise der Fall beim problemorientierte Denken und Sprechen. Was auch immer du nun vorhast, die folgenden Tipps werden dich sicher darin unterstützen, deine Sprache weiterzuentwickeln!

1. Beobachte die Ausdrucksweise von Anderen und dir selbst!

Schärfe deine Wahrnehmung! Wenn du selbst schwanger bist, wirst du plötzlich in deiner Umgebung auch viele Schwangere wahrnehmen. Wenn du hungrig bist, scheint der Duft aus der Bäckerei viel intensiver zu sein als sonst und du schaffst es kaum, vorbei zu laufen. Komisch? Nein, das ist selektive Wahrnehmung. Womit sich das Gehirn befasst, das erfasst auch die Wahrnehmung.

Beginne bei der Beobachtung von Anderen! Befasst sich das Gehirn also gerade mit einem sprachlichen Thema, wirst du das auch bei deinen Gesprächspartner:innen, Fernsehmoderator:innen oder Fremden im Bus registrieren. Du wirst dir denken: „Aha, XY sagt ständig müssen.“ oder „Oh, dieser Moderator scheint die 3A zu kennen, er macht immer einen Moment Pause, bevor er seine Frage stellt.“ Beobachte, wie die individuelle Ausdrucksweise einer Person auf dich wirkt oder auf Dritte (z.B. im Fernsehen). Bitte behalte deine Beobachtung für dich. So manche:r würde sich auf den Schlips getreten fühlen.

Im nächsten Schritt höre dir selbst genauer zu! Stellen wir uns vor, du willst darauf achten, deine Gesprächspartner:innen so oft wie möglich mit dem Namen anzusprechen und zwar am Satzanfang. Du wirst dich Sätze sagen hören wie „Kommst du mit spazieren, Stefan?“ und dir denken, „Ups, da war es wieder am Schluss.“ Sei geduldig mit dir selbst. Vielleicht hat Stefan deine Frage gar nicht registriert und du bekommst sofort eine neue Chance: „Stefan – kommst du mit spazieren?“ Fehler sind dazu da, dass wir etwas daraus lernen. 

Heike Brandl mit Buchstabe A für Ansprechen, Anschauen, Atmen

2. Mach ein „Wortfasten“!

Nehmen wir einmal an, du willst darauf achten, „eigentlich“ aus deinem Sprachgebrauch zu streichen. Du wirst es anfangs dennoch immer wieder benutzen. Und das wirst du selbst meistens auch hören. Verzichte auf „Oh, nein, nicht schon wieder!“ oder „Mann, bin ich doof.“ Mach lieber etwas Lustiges oder Greifbares daraus.

Lustig kann bei dem Wort „eigentlich“ zum Beispiel sein, wenn du dann ein „eieieiei“ oder sonst was Albernes dranhängst. Erkläre dann bitte deiner Gesprächspartnerin, dass du gerade darauf achtest, Füllwörter aus deinem Wortschatz zu streichen. Du weißt sicher selbst, in welchem Umfeld das passend und möglich ist.

Greifbar machen bedeutet, sich zum Beispiel fünf kleine Holzperlen oder etwas Ähnliches in die linke Hosentasche zu stecken. Bei jedem „eigentlich“ das du bemerkst, wandert eine dieser Perlen in die rechte Hosentasche. So weißt du am Ende des Tages, wie dir deine selbst gestellte Aufgabe gelungen ist und am Ende der Woche, welche Fortschritte du gemacht hast. 

3. Achte in Kurznachrichten und Emails auf klaren Ausdruck!

Angenommen, du willst künftig vollständige Sätze bilden. Hier hast du beim Schreiben von Kurznachrichten (whatsapp, SMS, Messenger usw., aber auch Notizzetteln an der Tür) und Emails die beste aller Übungsmöglichkeiten. Es ist ganz leicht, digitale Nachrichten zu korrigieren. Und es dauert nur wenig länger, den Satz zu vervollständigen. Das gilt natürlich auch für andere Themen: Füllwörter, „müssen“, … lassen sich ebenso leicht löschen wie Verneinungen sich finden und korrigieren lassen.

Beim Lesen wirst du wieder wahrnehmen, wie es die Anderen schreiben – und wie das auf dich wirkt. Ich empfehle dir, beim Lesen innerlich den Text in eine klare Sprache zu übersetzen. So kannst du Verneinungen gedanklich positiv umformulieren. Aus „Es dauert nicht mehr lange …“ machst du „Bald ist es soweit …“ Beginne mit einfachen Redewendungen aus dem Alltag. 

4. Mach deine sprachlichen Ziele sichtbar!

In einem meiner Seminare fühlte sich eine Erzieherin von den zu vielen „müssen“ angesprochen. Sie schritt sofort zur Tat und schrieb das „müssen“ auf einen Notizzettel und strich es mit dickem roten Stift durch. „Das hänge ich mir jetzt gleich in meiner Gruppe an die Schranktür.“ sagte sie hoch motiviert. Die Kolleginnen haben so auch gleich noch etwas davon.

Das geht natürlich auch, wenn du ein neues Wort in deinen Wortschatz aufnehmen willst. Schreibe zum Beispiel „friedlich“ auf einen schönen Zettel und klebe diesen an die Kinderzimmertür. So wird es dir gelingen, beim Eintreten öfter mal zu sagen „Ihr spielt ja heute so friedlich zusammen.“ Wie du friedliche Sprache noch mehr in den Blick nehmen kannst, liest du in meinem Artikel Friedliche Sprache in der Pädagogik.

Oder du schreibst dir fünf deiner typischen Sätze mit Pseudo-Aufforderungen auf: Das ist so etwas wie „Würdest du dir bitte die Hände waschen?!“ oder „Könntest du morgen mal pünktlich sein?!“ Von Pseudo-Aufforderung spreche ich hier, weil es sich grammatikalisch um eine Frage handelt. Überlege dir genau, wie die Aufforderung korrekt lautet. Schreib es dir auf, dann wirst du sie im Bedarfsfall parat haben. „Bitte wasche dir die Hände!“ oder „Sei morgen pünktlich!“

Sicher findest du einen Ort an deinem Arbeitsplatz oder zu Hause, wo du dein Thema sichtbar machen kannst.

Was kommt dir für die Pinnwand oder das Flipchart im Team-Zimmer in den Sinn?

5. Finde eine:n Trainingspartner:in!

Erzähle deinem Partner oder deiner Partnerin oder auch einer lieben Kollegin begeistert von deinem Vorhaben. Bitte sie oder ihn um ihre Unterstützung. Erlaube ihr oder ihm, dich dreimal täglich auf ein bestimmtes Wort oder eine Redewendung aufmerksam zu machen, die du benutzt. Vielleicht ist es passend, ein Zeichen zu verabreden ohne viele Worte zu verwenden.

Belasse es bei dreimal täglich. Ihr sollt schließlich beide noch Spaß daran haben. Und ich garantiere dir, ihr werdet Spaß daran haben. Danke deiner Trainingspartnerin für ihre Aufmerksamkeit. 

Dieser Übungstipp hat noch einen Vorteil: Die Trainingspartnerin wird auch aufmerksam auf ihre eigene Sprache achten. Sprache ist ansteckend …

6. Lege dir ein Wortschatz-Buch an!

Sammle schöne Wörter! In den ersten Schritten beim Entwickeln einer klaren Sprache geht es oft darum, Füllwörter zu streichen oder Wörter, die Druck machen zu reduzieren. Es tut jedoch auch gut, die eigene Sprache mit schönen Wörtern zu pflegen, aufzufrischen und anzureichern.

Vor kurzem las ich in einem Text, dass jemand „eine reiche Zeit“ verbracht hat. Diese Verwendung von „reich“ höre ich selten, doch hat sie eine ganz tiefgehende Bedeutung. Ich sammle solche schönen Wörter und Redewendungen in einem kleinen Wortschatz-Buch. Und dann schrieb ich einen Blog-Artikel dazu: 50 und mehr Wohlfühlwörter, die deine Sprache bereichern. Lass dich inspirieren. Du wirst staunen, was du alles entdecken wirst. 

Dein Wortschatz beeinflusst dein Denken, Sprechen und Handeln – und damit dein Leben. Pflege ihn gut. Er kann dich auch in Krisen begleiten: Wie mir der Wortschatz durch die Corona-Krise hilft.

Lingva Eterna Sprachkarten gemischt
Lingva Eterna Sprachkarten – eine Auswahl

7. Entdecke den Kartensatz „Die Kraft der Sprache“!

Im Kartensatz „Die Kraft der Sprache“  findest du viele Beispiele aus dem alltäglichen Sprachgebrauch. Wähle eine beliebige Karte aus, lies die Sätze zweimal halblaut und spüre der Wirkung der unterschiedlichen Sätze nach. Höre den unterschiedlichen Klang deiner Stimme. Welche Gestik und Mimik gehört für dich zu diesen Sätzen? Nimm diese eine Karte eine Woche lang in den Blick und achte darauf, wie oft du den oberen Satz der weißen Seite selbst sagst oder bei anderen hörst. Freue dich, wenn du ihn bemerkst! Bring die Karte so an, dass du sie häufig im Blick hast, auch ohne bewusst hinzuschauen. So geht der Impuls leicht in dein Unterbewusstsein. 

Hier liest du, warum ich den Kartensatz „Die Kraft der Sprache“ besonders liebe und wie ich ihn im Sprach- und Kommunikationstraining einsetze.

Jetzt kennst du meine 7 besten Tipps zum Üben klarer Sprache. Beginne mit einem und lass dir Zeit. Gewohnheiten zu ändern braucht auch Geduld mit dir selbst. Nach einer Weile wirst du möglicherweise beobachten, dass sich etwas in deinem Leben entwickelt. Es kann sein, dass du auf einmal mehr Zeit hast, oder dass du mit deinen Mitmenschen besser zurechtkommst. Das macht die Kraft der Sprache.


Du hast schon einiges probiert und wünschst dir eine individuelle Begleitung? Dann vereinbare gleich einen Termin mit mir!


Dieser Artikel erschien am 15.06.21 auf meiner früheren Website und wurde hier leicht überarbeitet.

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