Kleine Schritte, große Fortschritte: Strategien zur Förderung der Sprachentwicklung bei Kleinkindern

Kleinkind mit Eltern, Vater und Kind klatschen

Kinder, mit denen ich in meiner heilpädagogischen Praxis arbeite, haben häufig eine Entwicklungsverzögerung im Bereich der Sprache. Bei manchen dreht es sich um den aktiven Wortschatz, Satzbau und Grammatik, bei anderen auch um das Sprachverständnis. Noch deutlicher wird es, wenn Kinder erst gar nicht mit dem Sprechen zu beginnen scheinen. Ich gebe dir zahlreiche Tipps, um bei verzögerter Sprachentwicklung schon heute etwas zu tun.

Kinder, die mit 24 Monaten weniger als 50 Wörter sprechen können und keine Zweiwortsätze benutzen, nennen wir Late Talker. Schauen wir genauer hin, fällt oft auf, dass das Kind auch Schwierigkeiten hat, mit den Eltern oder anderen Personen in Kontakt zu treten, der Blickkontakt schwach ausgeprägt ist, das Kind wenig Interesse am Austausch, an der Interaktion hat. Vielleicht trifft auch nur einer dieser Punkte zu.

Möglicherweise bekommst du in einem halben Jahr einen Termin zur Diagnostik und dann wird vielleicht eine Ursache benannt. Anstatt so lange zu warten, kannst du schon heute damit beginnen, eure Interaktion weiterzuentwickeln.

Basis-Strategien der Eltern-Kind-Interaktion

  • Zum Dialog gehören immer zwei: Wird das Kind permanent mit Sprache überschüttet, fühlt es sich nicht mehr angesprochen, ignoriert das Gerede. Im Gespräch ergeben sich also z.B. Frage und Antwort, Erzählung und Rückfrage oder auch Signale durch Mimik, Gestik, Handlung.
  • Warte ab: Mache Pausen und gib dem Kind Zeit zum Reagieren.
  • Hole den Blick des Kindes ab: Versuche, Blickkontakt zu bekommen, begib dich auf Augenhöhe und reagiere bei Erfolg mit einem Lächeln – ohne Lob.
  • Rege die Kommunikation an bzw. erhalte sie aufrecht, z.B. durch deutliche Mimik oder Tonfall.
  • Geteilte Aufmerksamkeit: Beschäftige dich mit dem, was das Kind gerade tut.
  • Nachahmung: Greife kindliche Laute, Mimik, Gestik auf und ergänze sie mit einfachen Worten.
  • Passe deine Komplexität der Sprache an das Sprachverständnisniveau des Kindes an.
  • Nutze kurze, einfache Sätze:
    Beispiel:
    Anstatt „Kannst/Könntest/Würdest du mir … geben?“ sondern „Gib mir …!“
  • Es geht weniger um Begriffe für Gegenstände, sondern um Funktionen, die für das Kind im Alltag wichtig sind: auf/zu – laufen/kochen/umrühren/ …  – hoch/runter – rein/raus
    Beispiel:
    Anstatt „Du tobst auf dem Trampolin.“
    lieber „Du hüpfst. Hüpfen macht Spaß.“
  • Passe deine Sprachgeschwindigkeit an und nimm das Tempo raus. Dann kann das Kind dir leichter folgen.
  • Modelliere kindliche Äußerungen: wiederhole, erweitere, forme um in sinnvollen kommunikativen Sätzen. Das ist eine Technik aus der alltagsintegrierten Sprachförderung.
    Beispiel:
    Anstatt: „Das heißt Korb.“
    lieber „Ich brauche den Korb. Gib mir den Korb.“
  • Fördere Wiederholungen: Das Kind braucht unzählige sprachliche und Handlungswiederholungen, um beides in Verbindung zu bringen.
  • Setze Gesten ein: Wenn das Kind aufmerksam ist, zeige selbst und verbinde mit dem Wort. Bei der Logopädin Wiebke Schomaker findest du eine einfache Anleitung für Babygebärden.
    Beispiele:
    –  winken – tschüss
    – Klatschen – bravo oder gut gemacht
    – Daumen hoch – richtig (z.B. wenn es etwas aufhebt oder aufräumt)
    – Offene Hand – gib mir
    – Offene Hand nach vorne – Stopp
  • Fragen: Stelle nur Fragen mit kommunikativem oder spielerischen Sinn.
  • Nutze klare, eindeutige Formulierungen anstatt Verneinungen.
    Beispiele:
    Anstatt „Keine Bücher ausräumen.“
    lieber: „Stopp! Die Bücher bleiben im Regal.“
    Anstatt „Nicht auf den Tisch klettern.“

    lieber: „Bleib unten!“
Tipps verzögerte Sprachentwicklung

Aufmerksames Verhalten fördern

  • Benutze den Namen, wenn der Blickkontakt schon da ist.
  • Mache nach dem Namen eine kurze Pause, gib dem Kind Zeit dazu, Kontakt herzustellen.
  • Bilde kurze, einfache Sätze handlungsbegleitend, z.B. beim Wickeln, und lege immer wieder Pausen ein, um dem Kind eine Reaktionsmöglichkeit zu geben.
  • Lass dich nicht entmutigen, wenn es auf den Namen nicht reagiert oder keinen Blickkontakt herstellt. Mach nach zwei Versuchen eine Pause. Probiere es aufs Neue, evtl. mit Körperkontakt oder Änderung der Stimmlage.
  • Gib dem Kind die Gelegenheit zur Vorfreude, z.B. bevor du es hochnimmst, ihm das Essen gibst. Wecke Interesse für das, was um es herum passiert.
  • Zeige dem Kind, dass du dich freust, wenn es dich anschaut oder auf deine Stimme reagiert. Das Kind braucht die positive Konsequenz, um zu erleben, Interaktion macht Sinn. Verzichte dabei bitte auf „toll, klasse, …“. Lächeln, Nicken, Körperkontakt ist wertvoller. Mehr Tipps dazu gibt es in meinem PDF „Wertschätzen statt Loben“.
  • Reagiere auf alle Lautäußerungen des Kindes, auch zufällige. Erwidere sie, imitiere sie, erweitere sie. Das ist eine gute Grundlage für das wechselseitige Handeln.
  • Punkte, die für alle Kinder gelten, liest du in diesem Artikel: „Wie erreiche ich mehr Aufmerksamkeit bei meinem Kind?“ Hier findest du auch einige Fragen für deine Reflexion.

Interaktives, wechselseitiges Handeln fördern

Nutze Gelegenheiten im Alltag und beim Spiel. Reagiere auf Lautäußerungen oder eine (auch zufällige) interaktive Handlung mit einer passenden Antwort: Wenn das Kind klatscht, klatsche auch …

Probiere beim Spielen aus, etwas abwechselnd zu tun:

  • Ein Baustein ich, ein Baustein du …
  • Eine Kuh stelle ich auf, eine du …
  • Beim in die Dose stecken: einmal ich, einmal du …
  • Beim Planschen in der Wanne, einmal ich … (Pause machen)
  • Beim Teddy streicheln
  • Beim Geräusche machen (mit Mund oder Gegenständen)
  • An die Tür klopfen
  • Aus einer Tasse trinken
  • Gesicht hinter den Händen verstecken
  • Stein ins Wasser fallen lassen
  • Papa kitzeln …
  • Kussbewegung mit den Lippen
  • Zunge zwischen den Lippen bewegen
  • „Pst“ mit Finger auf den Lippen
  • und natürlich mit Lauten: Ah, oh, ih
  • und Geräuschen von Tieren oder Fahrzeugen

Das sind ziemlich viele Tipps für Kinder mit verzögerter Sprachentwicklung. Bitte mach daraus keine Therapiestunden, sondern entdecke die Möglichkeiten, die sich dadurch im Laufe des Tages oder der Woche ergeben. Kinder (und Erwachsene übrigens auch) lernen leichter, wenn sie sicher und wohlfühlen, Grundbedürfnisse befriedigt sind und das ganze mit Spaß geschieht.

Brauchst du mehr Unterstützung? Dann nimm gerne mit mir Kontakt auf.

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