Bindung und Kommunikation in der Kita

Hand Erwachsene und Hand Kind halten sich

Bindung ist für Fachkräfte in Kitas eines der wichtigsten Themen. Auf Bindung gründet sich alles: Beziehung, Bildung, Entwicklung, Persönlichkeit. Die Sprache der Fachkraft kann viel zum Gelingen der Bindung beitragen. Viel zu oft wird dieser Aspekt vernachlässigt. Als Heilpädagogin wie als Sprach- und Kommunikationstrainerin ist es mir ein großes Anliegen, diese beiden Bereiche zusammenzuführen. 

Warum mich dieses Thema berührt

Das Thema Bindung und das Thema Sprache in Kitas ist etwas, was mich in meiner praktischen Arbeit als Heilpädagogin ständig tangiert. Viele Kinder mit besonderen Bedürfnissen, die ich begleite, haben mit einem oder beiden Aspekten mehr oder minder große Schwierigkeiten. Fachkräfte stehen vor großen Herausforderungen mit diesen Kindern und ihren Eltern und sind oft ohnehin schon an Belastungsgrenzen. 

Woran liegen diese besonderen Herausforderungen?

  • Kinder mit Behinderung zeigen ein untypisches Bindungsverhalten. Eltern und Fachkraft reagieren verunsichert, erkennen und interpretieren die Signale des Kindes nicht oder falsch und irritieren es weiter. 
  • Kinder mit Sprachentwicklungsverzögerungen oder -störungen verstehen die Sprache der Eltern oder Fachkraft nicht ausreichend und reagieren mit Bindungsverhalten (z.B. schreien, weinen, klammern)
  • Kinder mit unsicheren Bindungsmustern oder Bindungsstörungen sind hoch irritabel und brauchen wesentlich mehr Zeit, Aufmerksamkeit und Geduld, um Vertrauen aufzubauen. 
  • Eltern behinderter Kinder sind häufig verunsichert, wie die Eingewöhnung in Krippe oder Kindergarten gelingen kann.

Ich will im Folgenden den Fokus darauf legen, wie du als Fachkraft diesen Herausforderungen mit deiner Sprache und Kommunikation sinnvollerweise begegnen kannst. Und ich bitte eines zu beachten:

Im Sinne von Inklusion gelten meine Tipps selbstverständlich für alle Kinder und alle Fachkräfte. Alle sind gleichwürdig. 

Vater und Kind schauen sich lachend an

Das Wichtigste zuerst: Hinhören

Kommunikation gelingt im Dialog. Und Dialog bedeutet, dass zwei Menschen etwa gleich viel Redeanteil haben und dementsprechend gleich viel zuhören. Im LINGVA ETERNA Sprach- und Kommunikationstraining sprechen wir auch von „hinhören“. Dieses Wort vermittelt eine andere Perspektive als das „zuhören“. „Hinhören“ weist auf „hinwenden“ zu einer Person.

Was kannst du also tun?

Beobachte dich und deine Redeanteile in Gesprächen mit Kindern. Gib Kindern, die nachdenken oder denen die Wörter noch fehlen, Zeit. Stelle offene und konkrete Fragen. 

Beispiel: 

AnstattLieber
„Was hast du heute gespielt?“
(was meist zu einem Schulterzucken oder einer Ein-Wort-Antwort wie „Lego“ führt)
„Was hat dir heute Freude gemacht?“
„Das hast du schön gebaut.“„Was hast du gebaut? Erklär mir, wie du auf die Idee gekommen bist.“
Anstatt zum weinenden Kleinkind zu sagen „Ach, das ist doch nicht so schlimm.“ Nimm dich erstmal zurück, beobachte feinfühlig die Signale des Kindes, frage, ob du es trösten darfst und warte, ob es etwas erzählt.

Kontaktaufnahme

Jetzt kommt es darauf an, ob das Kind gerade Bindungsverhalten oder Explorationsverhalten zeigt. Ich gebe dir ein Beispiel: 

Niko (2 Jahre) wird gerade eingewöhnt. Er klammert sich an die begleitende Mutter und dreht den Kopf weg. Er zeigt Bindungsverhalten. Die Mutter kann hier Halt geben, streicheln, freundlich und leise kommentieren, was sie wahrnimmt. Die Fachkraft Sofia kann hier erstmal nur mit etwas Distanz abwarten und beobachten. 

Nach einer Weile fühlt sich Niko sicher und geht ein Stück in den Raum. Da steht ein Holzwagen mit einem Hasen drin. Niko ist neugierig und zeigt nun Explorationsverhalten. Die Mutter bleibt sitzen und beobachtet. Die Fachkraft Sofia kommentiert erst aus der Distanz: „Niko, du hast den Wagen entdeckt.“ – Niko schaut sie an und greift nach dem Wagen. „Niko, du kannst den Wagen schieben.“

Was passiert hier? Niko braucht noch viel Zeit und Sicherheit. Würde Sofia ihn bereits ansprechen, solange er noch klammert, wäre er noch gar nicht bereit dafür. Sofias Mühe wäre vergeblich und würde vermutlich dazu führen, dass Niko noch stärker klammert und weint.

Erst als er bereit ist, kann Sofia Kontakt aufnehmen. Sie spricht ihn mit dem Namen an. Das weckt seine Aufmerksamkeit. Er schaut sie an – Sofia schaut Niko an. So entsteht der erste Kontakt. Sofia macht immer wieder kleine Pausen, zwischen den Sätzen, aber auch jeweils schon nach dem Namen. 

3A, das steht für Ansprechen mit dem Namen, Anschauen und einen Blickkontakt herstellen und Atmen, also einen Augenblick warten, bevor du weitersprichst. Die Pause ermöglicht dem Kind die Reaktion. 

Ich gebe dir ein weiteres Beispiel:

Ayse (3 1/2 Jahre) hat eine Sprachentwicklungsstörung. Sie spricht auch in ihrer Muttersprache türkisch noch keine vollständigen Sätze, im Deutschen nur einzelne Wörter und versteht in der Kita bislang nur wenig Zusammenhänge. Ayse puzzelt gerne. Als sie zum Naseputzen aufsteht, weggeht und ihr Puzzle liegen lässt, kommt Jonas und wirft die Teile wieder durcheinander. Ayse kommt zurück, schreit und schubst Jonas. Sofia, die Fachkraft geht auf Augenhöhe zu den beiden und spricht sie an. „Ayse – stopp. Schau, schubsen tut Jonas weh. Du willst dein Puzzle fertig machen, stimmts? – Jonas, oh, Ayse hat dich umgeschubst. Schau, sie hat nur kurz die Nase geputzt. Ayse will weiter puzzeln. Jonas, willst du auch puzzeln? – Ayse, darf Jonas dir helfen?“

Was passiert hier? Es ist wichtig, dass die Fachkraft eines weiß: Ayse kann noch nicht anders reagieren. Sie kann die Situation nicht einschätzen, sie ahnt nicht, dass Jonas das Puzzle vorher schon haben wollte, sie kann ihm auch noch nicht sagen „Stopp, ich bin schon wieder da. Ich will das Puzzle fertig machen.“ Ayse braucht die Unterstützung der Fachkraft. Und Jonas braucht Aufmerksamkeit und wahrscheinlich Trost. Immerhin wurde er gerade umgeschubst. Sofia, die Fachkraft spricht jedes Kind einzeln mit seinem Namen an, stellt Blickkontakt her und sinnvollerweise begleitet sie ihre freundlichen und ruhigen Worte mit eindeutiger Mimik und unterstützender Gestik. So lernt Ayse Wörter und Zusammenhänge. 

Was hat das jetzt mit Bindung zu tun? Ayse erfährt, dass Sofia zuverlässig für sie da ist, wenn sie in eine Situation von Überforderung gerät. Sie erfährt, dass Sofia prompt und angemessen reagiert, ihr Grenzen aufzeigt und dennoch liebevoll mit ihr nach einer Lösung des Problems sucht. So entsteht Bindung. 

Mutter und Baby schauen sich lächelnd an

Grüßen

Welche Schwelle du auch immer betrittst, es möge jemand da sein, der dich willkommen heißt.

Altirische Weisheit

Ich erinnere mich noch gut an eine Kita, in der ich vor etlichen Jahren ein Ritual erlebte. Jedes Kind musste morgens zur diensthabenden Fachkraft hingehen und ihr die Hand geben. Und wehe es war nicht „die schöne“ (rechte) Hand. So manches Kind wirkte wie beim Spießrutenlauf.

Wie heißt du die Kinder willkommen?

Die Ansprache am Morgen, wenn ein Kind in die Gruppe kommt, ist bedeutsam. Doch natürlich kann das anders geschehen. Sage den Namen und ein freundliches „Ich wünsche dir einen guten Morgen.“ – „Ich freue mich, dass du da bist.“ Da gibt es etliche Varianten. Wichtig ist, dass die Fachkraft den Blickkontakt anbietet, jedoch nicht erzwingt. Auch ob das Kind Körperkontakt will, sollte ihm überlassen werden. Das ist für das Kind eine sensible persönliche Grenze, über die es frei entscheiden darf. 

Es braucht ein feinfühliges Wahrnehmen, welche Signale das Kind gibt. Ob es noch müde wirkt, ob es aufnahmebereit und fröhlich ist, oder ob es etwas bedrückt. Geh kurz in den Kontakt und lass es ankommen. Oft ist die Situation in der Kita so, dass mehrere Kinder gleichzeitig ankommen oder andere noch etwas brauchen. Gib jedem ein kurzes Signal.

Die Fachkraft Sofia ist allein in der Gruppe und Maria erzählt ihr aufgeregt vom Besuch bei der Oma am Vortag. Da kommt Luis, weint und kann sich nur schwer von der Mama trennen. Sofia kümmert sich erstmal um Luis und sagt „Maria, ich sehe dich. Sobald sich Luis beruhigt hat, komme ich wieder zu dir.“

Beim Grüßen kommt ein sprachliches Element zum Einsatz, das wir meist nicht bewusst gebrauchen: Die persönlichen Fürwörter (Personalpronomen) – ich, dich, du, wir, euch, … Sie stiften Beziehung. Sie zeigen die Wertschätzung. Sie schaffen Bindung.

Auch im Beispiel „Maria, ich sehe dich.“ kommt das zur Wirkung. 

Danken

Wann dankst du jemandem?

Ich danke für eine Überraschung, für eine Hilfe, für ein Geschenk, für eine zügige Antwort, für eine kleine Aufmerksamkeit, für ein freundliches Wort. 

Das sind alles Situationen, in denen ich froh und zufrieden bin, fröhlich und guter Stimmung. In einer solchen Gefühlslage ist es besonders leicht, Kontakt herzustellen, Beziehung zu pflegen, Bindung zu schaffen. 

Und auch hier sind die Personalpronomen wieder hilfreich:

  • „Mats, ich danke dir, dass du mir die Schere gegeben hast.“
  • „Ich danke dir, dass du Annika beim Anziehen geholfen hast.“
  • „Mila, ich danke dir, dass du so geduldig wartest.“

Dabei ergibt sich noch etwas: Im Unterschied zum einfachen „Danke“ sagst du einen ganzen, einen vollständigen Satz. Als Fachkraft in einer Kita ist dir Sprachförderung sicherlich wichtig. Mit deinem guten Beispiel lernen die Kinder nebenbei sowohl vollständige Sätze ebenso wie das Pflegen von Beziehungen. 

Denn auch beim Danken stiftest du Beziehung, zeigst deine Wertschätzung und schaffst Bindung.


Hast du Interesse an einer Fortbildung für deine Kita? Dann melde dich bei mir.

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