Souverän auf den Punkt kommen

verschachtelte Kartons symbolisieren Schachtelsätze

Neulich fiel mir in einer Talkshow ein Politiker auf, der ausgesprochen unglaubwürdig wirkte. Woran lag das? Er verhaspelte sich häufig in seinen Sätzen und schob mehrere Nebensätze ein. Manche Sätze waren unvollständig. Seine Sprache spiegelte seine unstrukturierten Gedankengänge wider. Es klang, als ob er sich permanent rechtfertigen würde. Souveränität? Fehlanzeige! Lies hier, wie es dir gelingen kann, souverän auf den Punkt zu kommen.

Willst du intellektuell wirken oder lieber kompetent?

Sowohl in der Belletristik als auch in Fachbüchern finden wir Bandwurmsätze, die über eine halbe oder ganze Seite gehen. Lesefreundlich ist das sicher nicht. Hier wie dort wissen wir am Ende des Satzes nicht mehr, was am Anfang war. Wir erkennen nicht das Wesentliche.

Auch bei Wissenschaftlern oder sogenannten Experten sind Schachtelsätze weit verbreitet. Sie wollen ihre komplexen Sachverhalte möglichst intellektuell darstellen und meinen, damit besonders kompetent zu wirken.

Dabei ist das eine sehr deutsche Sichtweise. In anderen Ländern geht man davon aus, Kompetenz zeige sich darin, dass man Kompliziertes einfach darstellen kann.

Wie Verständlichkeit gelingen kann

Grammatikalisch gesehen ist es natürlich möglich, mit Nebensätzen einen Hauptsatz zu unterbrechen oder gar mehrere Nebensätze einzuschieben. Doch auch das „Hamburger Verständlichkeitskonzept“ empfiehlt, Sätze übersichtlich zu gliedern. Ein wesentlicher Hinweis: Die wichtigen Informationen gehören in den Hauptsatz.

AnstattBesser so
Ich rufe jetzt erstmal wegen eines Termins beim Arzt an und werde deshalb später kommen.Ich werde heute später kommen, da ich einen Arzttermin brauche.
Katja hat mir erzählt, dass in der Arztpraxis, in der sie arbeitet, mehrere Mitarbeiterinnen ausfallen und sie nächste Woche nicht mit uns an die Ostsee fahren kann.Katja kann nächste Woche nicht mit uns an die Ostsee fahren. In der Arztpraxis, in der sie arbeitet, fallen mehrere Mitarbeiterinnen aus.

Noch einfacher verständlich sind kurze, vollständige Hauptsätze ganz ohne Nebensatz. Deine Gesprächspartner:in kann ihnen leichter folgen. Gerade in längeren Erzählungen oder Berichten ist das von Bedeutung. Bei jedem Satz entsteht bei der Hörer:in ein Bild im Kopf. Das gelingt jedoch nur, wenn der Satz übersichtlich ist und nur eine Aussage enthält. Ein Bild ermöglicht es, dass die Gesprächspartner:in sich den Inhalt des Berichts gut merken kann.

AnstattBesser so
Als ich am Montag nach zwei Wochen Urlaub, du weißt doch, ich war am Bodensee, übrigens, das Wetter war schrecklich, also, als ich da wieder an die Arbeit kam, saß doch glatt eine neue Mitarbeiterin, ohne dass mir vorher jemand ein Wort davon …Ich war zwei Wochen im Urlaub am Bodensee. Am Montag ging ich dann wieder an die Arbeit. Da gab es für mich eine große Überraschung: Eine neue Mitarbeiterin saß mit in meinem Büro!

Hattest du Freude beim Lesen des ersten Beispiels? Oder konntest du wenigstens gut folgen? Als Zuhörer:in macht es dir noch mehr Mühe als beim Lesen, die einzelnen Segmente zu analysieren und nach logischer Reihenfolge und Wichtigkeit zu ordnen. Das ist ermüdend und du wirst bald abschalten.

Heike Brandl - Souverän auf den Punkt kommen

Kurt Tucholsky: Ratschläge für einen schlechten Redner

„Sprich mit langen, langen Sätzen – solchen, bei denen du, der du dich zu Hause, wo du ja die Ruhe, deren du so sehr benötigst, deiner Kinder ungeachtet, hast, vorbereitest, genau weißt, wie das Ende ist, die Nebensätze schön ineinander geschachtelt, sodass der Hörer, ungeduldig auf seinem Sitz hin und her träumend, sich in einem Kolleg wähnend, in dem er früher so gern geschlummert hat, auf das Ende solcher Periode wartet […]“ (zitiert aus: Raabits Deutsch)

Tucholsky war der bedeutendste Schriftsteller und Journalist der Weimarer Republik und er hatte einen einfachen Rat für Redner:innen parat:

Hauptsätze! Hauptsätze! Hauptsätze!
Kurt Tucholsky

Mach es deinen Gesprächspartner:innen leicht: Bilde kurze, einfache Sätze! Ich empfehle dir ein Nebensatz-Fasten.

Auch die Sprachmelodie wirkt

Viele Sprecher:innen beenden einen Aussagesatz ebenso wie einen Fragesatz: Sie bleiben mit der Stimme am Satzende oben. Damit bleibt unklar, ob der Satz wirklich zu Ende ist. Für die Zuhörer:in klingt das wie ein endloses Lamentieren und ist besonders anstrengend. Bitte jemand in deinem Umfeld einmal auf deine Stimmlage zu hören!

Es ist sinnvoll, einen Aussagesatz auch mit der Sprachmelodie eines Aussagesatzes zu sprechen: Gehe mit der Stimme am Satzende nach unten! Die Wirkung ist eine völlig andere. Du erreichst damit mehr Aufmerksamkeit und Interesse. Damit hören dir andere Menschen viel lieber zu.

Verzwickt wird die Sache bei Aufforderungssätzen, die eine Sprachmelodie wie ein Fragesatz haben. Lies hier mehr: Erfolgreich führen ohne Wischi-Waschi

Wie ich es geschafft habe, prägnant zu formulieren

Als ich mein erstes LINGVA ETERNA Seminar besuchte, redete auch ich in Schachtelsätzen und meine Stimme war am Satzende oft oben. Ich hörte es selbst nicht einmal. Meine erste Erkenntnis hatte ich dann beim Hören des Hörbuchs „In der Sprache liegt die Kraft“

CD Cover In der Sprache liegt die Kraft

Ich begann für mich selbst zu üben: Beim Bügeln oder Autofahren – also, wenn ich allein war und mir keiner zuhörte – hörte ich mir selbst beim Sprechen zu. Ich beschrieb einfach, was ich sah und tat: „Vor mir fährt ein rotes Auto. Es bremst. Ich bremse auch. Ich überhole den parkenden Lieferwagen.“ Das klang ein wenig albern und übertrieben kurz, doch hatte es eine tiefgreifende Wirkung. Und es war ja egal. Außer mir hörte keiner zu. Die ersten Übungen auf einem Musikinstrument machst du auch erstmal im stillen Kämmerlein.

Bald hörte ich den Unterschied zu meinen sonst üblichen Schachtelsätze und begann, diese zu vereinfachen.

In weiteren LINGVA ETERNA Seminaren achtete ich auf Pausen zwischen den Sätzen. So gelang es mir, das Tempo herauszunehmen. Dadurch wiederum gewann ich die Zeit, Sätze gedanklich besser zu strukturieren. Einen „hörbaren Punkt“ zu setzen – also die Stimme am Satzende abzusenken, war eine weitere Übung. Da die Sprachmelodie einen Bogen bildet, sprechen wir bei LINGVA ETERNA dabei von „Bogensätzen“.

Im Seminar bekam ich die Gelegenheit, dies vor Zuhörer:innen zu üben. Das war nochmal eine neue Herausforderung. Doch nur damit bekam ich eben auch die Rückmeldung dazu, wie unterschiedlich ich wirkte: In Schachtelsätzen und mit der Stimme oben wirkte ich unstrukturiert und hektisch. Die Zuhörer:innen waren ehrlich: Sie hatten keine Lust, mir zuzuhören. Mit den sogenannten „Bogensätzen“ wirkte ich souverän und ruhig.

Souverän und ruhig, das steht für Menschen, die etwas zu sagen haben. Willst auch du so auf deine Gesprächspartner:innen wirken? Das erfordert etwas Übung. Doch wenn du es willst, wird es dir auch gelingen.

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Kategorisiert in Kommunikation

3 Kommentare

  1. Liebe Heike,
    danke für diesen tollen interessanten Artikel. Der Einsatz von Sprache und das Wort ist für mich persönlich und bei meiner Arbeit immens wichtig. Ich neige jedoch auch zu Schachtelsätzen und übe mich in kurzen Sätzen beim bloggen. Auch Lingva Eterna ist mir schon lange ein Begriff, aber ich habe mich noch nie genauer beschäftigt. Sehr spannend finde ich die Bogensätze. Danke für deine Beispiele und eigenen Erfahrungen sowie Anregungen. Das macht definitiv Lust auf mehr.

    1. Liebe Carmen, ich freue mich, dass ich dir ein paar Impulse geben konnte. Hast du Lust auf eine Vertiefung? Dann schau dich gerne noch mehr auf dem Blog um. Herzliche Grüße, Heike

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