Vor kurzem nahm ich an einem Workshop teil, in dem es um Beziehungsgestaltung in der Heilpädagogik ging. Ein Thema war dabei: Dem Beziehungsaufbau wird in der Regel viel Aufmerksamkeit geschenkt. Nur wenn eine stabile, vertrauensvolle Beziehung vorhanden ist, ist das Kind bereit zu lernen und wir können gemeinsam „durch dick und dünn gehen“. Doch wie ist es mit dem Abschied in der pädagogischen Beziehung?
Eine Genehmigung läuft aus. Ein Kind wechselt in eine andere Einrichtung, kommt in die Schule, zieht um. Auch der Abschied will bewusst gestaltet sein. Wir Heilpädagog:innen begreifen ihn als Übergang in eine andere Lebensphase. Es ist wichtig, das Kind angemessen auf den Abschied vorzubereiten. Deshalb ist es mir ein Anliegen, meine Gedanken darüber, wie der Abschied gelingen kann, mit dir zu teilen.
Faktoren, die Abschiedsgestaltung beeinflussen
Je nach Alter und Entwicklungsstand des Kindes werde ich den Abschluss der pädagogischen Beziehung unterschiedlich gestalten. Eine einfache, klare Sprache ist in jedem Fall sinnvoll.
Kinder, die ich aufgrund einer geistigen Behinderung oder einer schweren Sprachentwicklungsstörung unterstützt habe, brauchen vielleicht eine symbolische Hinführung oder eine Visualisierung. Dann ist es wahrscheinlicher, dass sie den Abschied besser verstehen.
Kinder, die in die Schule kommen und sich darauf freuen, haben ein anderes Wissen und Zeitgefühl. Mit ihnen kann ich klar darüber sprechen, dass sie nun viel gelernt haben und meine Begleitung nicht länger brauchen.
Klarheit und Transparenz
Je nach Verständnis thematisiere ich mit den Kindern einige Wochen im Voraus, wie oft wir uns noch sehen. Ich benenne den Grund für die Frühförderung oder Einzelintegration in kindgerechter Weise und dass wir dieses Ziel inzwischen erreicht haben. Gegebenenfalls ergänze ich, dass manches in der Schule auch Übung und Ausdauer erfordern wird.
Bei Kindern, die die Einrichtung wechseln, z.B. in eine schulvorbereitende Einrichtung (SVE, Förderkindergarten) oder wegen Umzugs ist der Grund in der Regel leicht nachvollziehbar. Eine andere Art der Förderung schließt meine Begleitung aus. Ein anderer Wohnort ist eventuell zu weit entfernt.
Gemeinsam zurückblicken
Je nach Förderschwerpunkt und Dauer der Maßnahme habe ich mit dem Kind oft eine Mappe gestaltet, Arbeitsblätter und Bilder gesammelt oder ein Entwicklungshaus ausgefüllt. Dies können wir am Ende noch einmal gemeinsam anschauen und so kann das Kind seine eigene Entwicklung wahrnehmen und wertschätzen. Auch ein Portfolio wäre eine Möglichkeit, den Abschluss der pädagogischen Beziehung zu gestalten.
Ganz egal, mit welchem Medium wir die Entwicklung veranschaulichen: Wichtig ist es, nicht nur ergebnisorientiert, sondern auch prozessorientiert zu benennen. Die Ausdauer, Anstrengungsbereitschaft oder Rücksichtnahme können genauso wichtige Entwicklungsziele gewesen sein. Einige Beispiele findest du in 30 und mehr wertschätzende Sätze für dein Kind.
Ausblick aufzeigen
Mit dem Kind spreche ich über die eventuell bevorstehenden Ferien und was danach sein wird. Bei Kindern, die in die Schule kommen, sprechen wir natürlich über weiteres Lernen und worauf es sich dabei freut.
Bei Kindern, die in Unterstützung in der sozial-emotionalen Entwicklung erhielten, geht es im Abschlussgespräch eventuell um Ressourcen und Strategien, die ihnen das Leben und Lernen künftig leichter machen können. Dazu gehört es bei Bedarf auch, die Gefühle und Bedenken des Kindes zu benennen sowie Trost und Unterstützung anzubieten. „Du wirst das lernen.“ kann ein wichtiger Satz im Hinblick auf Zuversicht sein.
Abschiedsrituale
War das Kind in meiner heilpädagogischen Praxis zur Frühförderung, darf es natürlich dann alles mitnehmen, was es bei mir gemacht hat (siehe oben: Portfolio, Mappe …). In der letzten Stunde darf das Kind nochmal seine Lieblingsspiele auswählen und wir gestalten ein gemeinsames Abschlussobjekt, z.B. einen Handabdruck oder ein Glitzerglas.
Im Rahmen der Einzelintegration findet ein Abschlusskreis mit der ganzen Gruppe statt. Dabei achten wir darauf, die Gründe für die Maßnahme sowie für ihr Ende so zu benennen, dass das Integrationskind vor den anderen Kindern sein Gesicht wahren kann und eventuell der Nutzen für die Gemeinschaft im Vordergrund steht. Außerdem geht es dann eher um meine Verabschiedung von der Gruppe, denn das Kind hat in den meisten Fällen nicht gleichzeitig den letzten Tag.
Lieblingslieder, -bücher oder -spiele sind noch ein letztes Mal an der Reihe. Gerade wenn wir dies überwiegend im Rahmen einer Kleingruppe gemacht haben, ist es sinnvoll, so etwas nochmal mit der Gesamtgruppe zu teilen.
In beiden Fällen gebe dem Kind ein kleines persönliches Abschiedsgeschenk, welches es eine Weile an mich erinnern wird. Möglich ist auch ein Foto, nur mit dem Smartphone der Eltern.
Wichtig ist, dass der Abschluss eine positive und ermutigende Erfahrung für das Kind ist. Mir ist es ein Anliegen, dass es mich als Mensch in Erinnerung behält, dem es vertrauen konnte und der ihm wertschätzend, wohlwollend und zuversichtlich begegnet ist.
PS: Im Rahmen der Frühförderung oder Einzelintegration mache ich gelegentlich Fotos, um Entwicklungsschritte und Prozesse zu dokumentieren oder Eltern Ideen für Förderung zu vermitteln. Dafür habe ich eine Einverständniserklärung der Eltern vorab eingeholt. Um Fotos im Blog oder Social Media zu verwenden, achte ich darauf, dass die Kinder nicht im Vollbild kenntlich sind und hole zusätzlich eine entsprechende Einverständniserklärung ein. Das ist mein Beitrag zum Datenschutz.
PS 2: Natürlich führe ich in den letzten Wochen der Maßnahme auch Gespräche mit beteiligten Therapeut:innen und Kita-Fachkräften, sodass ich im Abschlussgespräch mit den Eltern eine Gesamtschau über die Entwicklungsfortschritte aufzeigen kann. Auch im Abschlussgespräch mit den Eltern geht es um Rückblick und Ausblick. Doch das kann ja ein eigener Artikel werden.
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