Was ist Co-Regulation?

Was ist Co-Regulation? Kind mit verschränkten Armen und gerunzelter Stirn steht vor erwachsener Person.

Alarm im Kinderzimmer? Krach auf dem Spielplatz? Streit in der Kita? Kinder haben täglich kleine Auseinandersetzungen mit Geschwistern, ob im Spiel oder am Esstisch und natürlich auch Meinungsverschiedenheiten mit Erwachsenen. Das ist normal. Auch wenn wir das oft als anstrengend empfinden – es sind Entwicklungsaufgaben der Kinder und es ist Aufgabe der Erwachsenen, die Kinder darin zu begleiten. Genau das ist Co-Regulation.

Wie du dich als erwachsene Person selbst regulieren kannst

Stell dir vor, du wirst während der Arbeitszeit müde. Was machst du?

  • Du trinkst einen Kaffee oder grünen Tee.
  • Vielleicht gehst du auch kurz zur Toilette, zum Kopierer, zur Kollegin, um dir mit etwas Bewegung eine Auszeit vom Bildschirm zu schaffen.
  • Du holst dir was zu naschen, ein paar Nüsse und machst weiter.
  • Du stehst auf, öffnest das Fenster, holst tief Luft und lüftest den Raum durch.
  • Oder du schaltest alle Benachrichtigungen stumm und gönnst dir einen Powernap.

Du hast als erwachsene Person viele Möglichkeiten, auf deine Müdigkeit zu reagieren. Natürlich ist das auch von deinem Arbeitsplatz abhängig.

Eine typische Spielsituation

Nun stell dir die vierjährige Thea vor, die am späten Nachmittag mit ihrem gleichaltrigen Freund Luca in ihrem Kinderzimmer spielt. Schon über eine Stunde haben sie friedlich gebaut und gespielt. Plötzlich ist es vorbei mit der Ruhe: Luca hat Theas Traktor geschnappt und will ihn nicht mehr hergeben. Thea weint, schimpft und wirft schließlich mit den hölzernen Baumstämmchen, die sie aufladen wollte, nach Luca.

Du ahnst, was kommt: Luca weint auch, rennt zu dir und beschwert sich über Theas Verhalten. Es beginnt eine Spirale von Ärger und Vorwürfen.

Oder du begleitest die beiden durch ihre aufgewühlten Gefühle. Das ist dann Co-Regulation.

Was ist Co-Regulation?

Co-Regulation bezieht sich auf einen Prozess, bei dem zwei oder mehr Personen oder Systeme zusammenarbeiten, um Emotionen, Verhalten oder physiologische Zustände zu regulieren. Es geht darum, eine unterstützende und kooperative Umgebung zu schaffen, in der sich Individuen gegenseitig beeinflussen, um emotionale und soziale Regulation zu fördern. Klingt ein bisschen theoretisch, passt aber für viele Situationen.

Einfacher gesagt heißt es, wenn es jemand allein nicht schafft, sich zu regulieren, dann braucht er oder sie Unterstützung durch eine andere Person. Diese kann dann durch Gefühlsausbrüche begleiten, Verhalten begrenzen oder unterstützen oder zum Beispiel auf Müdigkeit reagieren.

Zur Regulation physiologischer Zustände brauchen gerade Kinder häufig Hilfe: bei Schmerz, Krankheit oder Verletzung, wenn sie frieren oder schwitzen, wenn sie hungrig oder durstig sind.

Ebenso wie viele Erwachsene können auch Kinder ihre Gefühle nicht immer im Zaum halten. Manchmal kommt es dann zu sozial unangemessenem Verhalten. „Bei Kleinkindern dominiert insbesondere in den ersten drei Jahren das emotionale Gehirn. Sie sind schlichtweg noch nicht fähig, die Gefühle mit passenden Worten zu versehen und über die Zeit und Folgen ihres Verhaltens nachzudenken. Sie sind im Hier und Jetzt!“ (aus: Kathrin Hohmann „Gemeinsam durch die Wut“ S. 116)

Als erwachsene Person bist du dafür verantwortlich, bei Kindern zu erkennen, wann sie der Co-Regulation bedürfen und sie dann nach Möglichkeit zu unterstützen. So lernen Kinder durch dein Beispiel nach und nach sich selbst besser zu regulieren und mit ihren Emotionen oder physiologischen Zuständen umzugehen.

Wie könnte die Co-Regulation im Beispiel aussehen?

Was ist passiert? Beide Kinder haben in ihrem eigenen Interesse gehandelt. So ist ein kleiner Konflikt entstanden. Selbständig können sie ihn noch nicht regeln. Doch sind Konflikte Gelegenheiten, Sozialkompetenz zu lernen und mit „Vertragt euch!“ nicht beendet.

In der Situation ist es hilfreich, etwas über das Nervensystem zu wissen. Für beide Kinder ist vermutlich gerade Stress-Alarm im Kopf und das denkende Hirn kurzzeitig außer Betrieb. So können sie den Streit nicht lösen und sind auch für deine Argumente nicht zugänglich.

Mein Tipp:

Lass dir also lieber erzählen, was sie denn davor gespielt haben. Und biete Thea und Luca an, eine kleine Trink- und Obstpause zu machen. Auf so einem Bauernhof braucht man ja wohl auch mal eine Stärkung …

Nach ein paar Minuten ist der Adrenalinspiegel gesunken und dann sollte das Gespräch wieder möglich sein. Doch ist das wahrscheinlich gar nicht mehr nötig, denn die beiden werden längst neue Pläne haben.

Das Spiel ist die Arbeit des Kindes. Die beiden haben für ihr Alter lange kooperiert. Das ist anstrengend. Sie brauchten eine kleine Pause. Vielleicht ist es auch möglich, noch eine Weile draußen zu spielen oder Luca zu Fuß nach Hause zu bringen. Und das soll dann keine Strafe sein, sondern ein gemütlicher Spaziergang mit Balancieren auf Mäuerchen oder Pfützen hüpfen.

Noch mehr konkrete Tipps für verschiedene Situationen und unterschiedliches Alter findest du in dem Buch „Achtsame Kommunikation mit Kindern“ von Daniel J. Siegel & Tina P. Bryson, das ich vor kurzem vorgestellt habe.

Was ist Co-Regulation?

Welche Voraussetzungen sind für Co-Regulation nötig?

Nur wenn wir selbst gut stehen, können wir andere gut halten.
Kati Bohnet

Du brauchst eine gute Selbstregulationsfähigkeit, um gut co-regulieren zu können. Was heißt das?

  • Nimm deine eigenen Gefühle, Gedanken, Körperempfindungen wahr.
  • Erkenne, ob du selbst erregt bist.
  • Gibt es Bedürfnisse, die hinter deiner Erregung bzw. hinter deinen Wahrnehmungen stehen?
  • Kontrolliere deine eigene Erregung und steuere deine Impulse.

Natürlich haben auch deine Bedürfnisse und Gefühle ihre Berechtigung und dürfen einen angemessenen Raum bekommen. Doch bist du als erwachsene Person verantwortlich für die Kinder und hoffentlich besser in der Lage, deine Bedürfnisse zurückzustellen.

Dazu ist es hilfreich, sich selbst gut zu beobachten, eigene Stressoren zu erkennen und diesen rechtzeitig Einhalt zu gebieten oder für Ausgleich zu sorgen.

Gleichwohl gilt das alte Beispiel aus dem Flugzeug: Leg dir erst selbst die Sauerstoffmaske an, bevor du anderen bedürftigen Personen hilfst!


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Kategorisiert in Eltern, Kita

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