Im August war ich tatsächlich vom ersten bis zum letzten Tag auf Reisen. Es war eine spannende, bereichernde und vor allem auch sportlich intensive Zeit.
Das Reiseziel war Peebles, eine Kleinstadt im Süden Schottlands (im Titelbild). Dort wurde im nahe gelegenen Mountainbike Trail Center Glentress Forest die diesjährige Mountainbike-Weltmeisterschaft ausgetragen. Unser Sohn Maximilian nahm daran teil und wir wollten als Zuschauer – wie jedes Jahr zur WM – dabei sein.
Dabei war es uns ein Anliegen, #flightfree, also ohne Flug dorthin zu kommen.
Zahlen, Daten, Fakten
- Reisetage: 31
- Länder: Belgien, Frankreich, Großbritannien und zurück.
- Transportmittel: Flixbus, Fahrrad, Fähre, Bahn
- Kilometer gesamt: 3890 (sagt meine Polarsteps-App)
- Kilometer Fahrrad: 1600
- Pannen: 4 x Plattfuß, 1 x Speiche gebrochen
- Wetter tagsüber zwischen 16 und 24 Grad. Ernsthafte Regentage: drei bis vier und ein paar mit mal einer Stunde Nieselregen oder abendlichen Schauern
- Übernachtungen: 5 x bei Warmshowers-Gastgebern, 2 x im Zelt, sonst Bed & Breakfast oder Apartment
Der Weg ist das Ziel
Bei einer Reise mit Gepäck ist es von vornherein klar, dass Besichtigungen, Museumsbesuche oder Kulturveranstaltungen nur an den Ruhetagen in einer Stadt stattfinden können. Die Räder mit Gepäck vor einer viel besuchten Sehenswürdigkeit stehenzulassen, kommt für uns nicht infrage. Zu groß wäre das Diebstahl-Risiko sowie Aufwand und Kosten der Wiederbeschaffung von Zelt, Schlafsäcken, Ausrüstung usw.
So legten wir Wert auf landschaftlich sehenswerte Strecken, bauten einige Nationalparks ein, picknickten im Park oder in der Fußgängerzone in beschaulichen Kleinstädten und nahmen den Charakter einer Landschaft oder Ortschaft in uns auf. Wir spürten dem nach, wie die Menschen hier wohl leben und freuten uns über Kontakte mit Einheimischen.
Je nach Streckenprofil (sprich: Höhenmetern), Windverhältnissen und der meist ein bis zwei Tage vorher angepeilten bzw. gebuchten Unterkünfte fuhren wir zwischen 45 und 110 km am Tag. Wir erlebten 75 km Gegenwind an der Küste zwischen Brügge und Dünkirchen bei einer Stärke von 70 km/h, wo uns der Sand zwischen den Zähnen knirschte und die Schienbeine massierte.
Da gab es die Querung des Nationalparks North Yorkshire Moors bei Gegenwind, Nebel und Nieselregen, wo wir auch noch knapp 1000 hm zu überwinden hatten. Doch die über das einsame Sträßchen spazierenden Hasen und Schafe und die leuchtenden Heidekraut-Sträucher bleiben ebenso intensiv in Erinnerung, wie der Trampelpfad, auf dem wir beim Abstieg stießen. Du hast richtig gelesen: Teilweise mussten wir schieben, teilweise gelang es mit unserer MTB-Erfahrung auch langsam zu fahren.
An der Ost- und Südküste fuhren wir teilweise auf wunderbaren Radwegen des National Cycling Networks. Im Umkreis größerer Städte waren die Radwege häufig zugewachsen, vermüllt oder endeten unversehens. Merkwürdige Verkehrsführung an den unzähligen riesigen Kreisverkehren nervten ebenso wie Schranken vor den Radwegen, die mit unserem Gepäck kaum zu passieren waren. Das wäre ebenso schwierig für Rollstuhlfahrer:innen oder Kinderanhänger.
Anders als in Deutschland gibt es in Großbritannien entlang der Straßen noch zahlreiche Alleen oder alternativ Hecken. Diese Hecken sind drei bis vier Meter hoch und bewirken natürlich in erster Linie Wind- und damit Erosionsschutz – das ist gut für die Landwirtschaft. Sie bieten außerdem wichtigen Lebensraum für viele Tiere. Sie behindern allerdings auch die Sicht. Weder konnten wir sehen, was sich jenseits der Hecke für Landschaft befindet, noch was um die nächste Kurve kommt: Reiter, Traktor oder Lieferwagen? Bei drei Meter Straßenbreite konnte das auch spannend sein …
Trotzdem bevorzugten wir diese kleinen Straßen meist gegenüber den verkehrsreichen Hauptstraßen ohne Radweg. Oft war es jedoch nicht zu vermeiden, mal 20 km auf der Landstraße zu fahren. Volle Konzentration und blinkendes Rücklicht anschalten war dann wichtig.
Apropos Ziel: Die MTB-Weltmeisterschaft verlief für unseren Sohn mit einem 21. Platz beim Shorttrack einigermaßen und einem 50. Platz beim Cross-Country Rennen nicht zufriedenstellend. Schwamm drüber. Für Maximilian war es übrigens die 10. WM Teilnahme in Folge. Das allein ist schon herausragend. Wir waren neunmal dabei, 2020 waren leider keine Zuschauer:innen zugelassen.
Begegnungen und Gemeinschaft
Oft kamen wir mit den Menschen ins Gespräch, die sich wegen des Gepäcks für uns interessierten. Ob vor dem Supermarkt oder in der Mittagspause im Café, offenbar waren wir besonders in England und Schottland eine seltene Spezies: Radreisende. Wir sahen wenige Menschen, die überhaupt mit dem Rad unterwegs waren, eigentlich nur einige Rennradfahrer älteren Semesters.
Immer wieder besonders und eine echte Bereicherung waren die Übernachtungen bei Warmshowers-Gastgeber:innen. Warmshowers, das ist eine Gemeinschaft von radfahrenden Menschen, die Radreisenden eine kostenfreie Übernachtung, eine warme Dusche und meist auch Abendessen und Frühstück anbietet. Wer Zeit hat, setzt sich abends zu einem Gespräch zusammen, gern auch mit einem Glas Wein oder Bier, und so entsteht oft ein intensiver persönlicher Austausch über das Reisen, das Leben und die Welt aus verschiedenen Perspektiven. Es ist eine geniale und so leichte Art, die unterschiedlichsten Menschen in ihrem persönlichen Umfeld kennenzulernen. Und ich liebe es.
- Da waren Jamie und Vicky, die als Angehörige der britischen Armee zeitweise auch in Deutschland waren. Spannend, wie ihre Sicht auf das Leben in Deutschland war.
- Mit Annabell und David lernten wir zwei junge Radsportler kennen, die zeitweise auch Rennen fuhren. Annabell arbeitet heute im Umweltmanagement von britischen Flüssen. Dadurch hatten wir danach einen ganz neuen Blick hierauf.
- Kirsty und Marcus hatten in ihrem Häuschen von der Bettwäsche bis zur Kaffeetasse alles durchdesigned: Fahrräder überall.
- Ben und Caroline wollten am nächsten Tag selbst zu einem Radurlaub in Frankreich aufbrechen und freuten sich riesig, dass Thomas uns allen ein Curry kochte.
- Steve und Sarah waren zwei, die sich selbst als „bikecrazy“ bezeichneten. Bei ihnen waren wir die ersten Warmshowers-Gäste und konnten sie zum selbst-organisierten Reisen inspirieren. Mit der Lehrerin Sarah unterhielt ich mich über die Inklusion in britischen Schulen.
- Und mit Johanna und Jonas in Belgien philosophierten wir über internationale Radwege, indische Küche und probierten belgische Schokolade.
Kulturprogramm
Unsere Flixbustour führte uns zunächst nach Brügge: Die Stadt mit den angeblich meisten Touristen in Europa ist wirklich sehenswert. Wir umrundeten die Stadt auf den hervorragenden belgischen Radwegen und gingen so den Menschenmengen einigermaßen aus dem Weg.
Edinburgh: „The Fringe“, das größte Festival der Welt mit Straßenkünstlern, Theater, Musik und Comedy findet alljährlich im August statt. Bei strahlendem Sonnenschein verbrachten wir den ganzen Tag in der überquellenden Stadt und schauten fasziniert Artisten und Musikern zu. Wenn du einmal Gelegenheit dazu hast – schau es dir unbedingt an.
Stonehenge: Unsere Route führte so nah dran vorbei, dass es praktisch ein Pflichtbesuch war. Doch es war weit mehr als das. Wir waren wirklich beeindruckt, wie Menschen dieses Bauwerk in der Jungsteinzeit errichten konnten.
Brüssel: Mit dem Atomium am Vormittag und dem Parlamentarium (das Besucherzentrum des Europäischen Parlaments) am Nachmittag tauchten wir ganz tief in Geschichte ein. Beide Sehenswürdigkeiten bzw. Ausstellungen sind absolut empfehlenswert.
Von Brüssel aus ging die Reise mit dem Flixbus dann nach Frankfurt und von dort fuhren wir mit dem Zug nach Hause. Schön war es, intensiv, beeindruckend, erlebnisreich. Ich bin zutiefst dankbar für diese Möglichkeit des Reisens. Und ich danke ganz besonders meinem Mann Thomas, der unser Reisemanager, Einkäufer und Mechaniker ist. Er befasste sich tagtäglich mit den Strecken, Buchungen, Anfragen und machte das Gelingen erst möglich.
Und noch eine Erkenntnis
Nach vier Wochen Englisch sprechen und lesen habe ich doch tatsächlich begonnen, Englisch zu denken. Als ich das bemerkt habe, dachte ich mir: Wow, wenn mir das schon in einer anderen Sprache passiert, was mag da erst in der Muttersprache möglich sein?
Indem du nur einige Aspekte deiner Ausdrucksweise änderst, kannst du eine ganz andere Wirkung auf andere Menschen erzielen. Du kannst deine Beziehungen nachhaltig mit klarer und wertschätzender Sprache pflegen und weiterentwickeln. Dabei kann ein KommunikationsCoaching dich auf einen neuen Weg bringen. Als deine Reisebegleiterin bin ich dabei gern für dich da.
Ausblick September 2023
- Neustart in verschiedenen Kitas in der Heilpädagogik
- Vorbereitung der geplanten Vorträge und Seminare
- Einige Blog-Ideen umsetzen
- Networking und Fortbildung
Was für ein toller Reisebericht, liebe Heike – sehr beeindruckend, was ihr alles erlebt und geschafft habt. Großartig!
LG Nicole
Ja, das war wirklich eine erlebnisreiche Reise. Beim Reisen komme ich Menschen und Land viel näher als im Urlaub. Das macht für mich einen wesentlichen Unterschied aus und ist spannend und interessant.