Stress in der Kita reduzieren

Frau, der der Kopf schwirrt vor Stress

Diese Ideensammlung entstand aus meinen Erfahrungen in Einrichtungen, in denen ich weniger Stress wahrnehme, mit dem Wissen meiner Weiterbildung über Stressregulation, umfangreicher Lektüre und ist praxiserprobt. Sie kann dir Impulse zur Stressreduktion in deiner Kita geben.

Ich habe mich gefragt: Welche Abläufe wirken entspannter? Wie reagieren die Fachkräfte deeskalierend in akuten Stress-Situationen? Was macht den Unterschied aus zwischen Haus-Kindergarten und Waldkindergarten in Bezug auf Stress?

Stressoren identifizieren

Stressoren oder Stressfaktoren sind innere oder äußere Reize, die dich zu einer Reaktion der aktiven Anpassung veranlassen. Dein Organismus interpretiert und bewertet diese Reize und ihre Auswirkungen auf die jeweilige Situation und kann sie positiv oder negativ bewerten (Neurozeption).

Keine Frage, in vielen Kitas erleben Kinder wie pädagogische Fachkräfte täglich negativen Stress. Dieser kann auf Dauer krank machen und auch das erleben wir häufig: Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen ist die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage pädagogischer Fachkräfte deutlich höher. Jedoch auch bei den Kindern gibt es im Vorschulalter eine hohe Infektanfälligkeit, die durchaus auch mit dem Stress zusammenhängen könnte. (PS: Falls du eine Studie dazu kennst, schreib mir bitte eine Nachricht.)

Im Volksmund sprechen wir von Stress, wenn die Reize negativ bewertet werden und als unangenehm, bedrohlich oder überfordernd wahrgenommen werden.

Bevor du darüber nachdenkst, wie du Kita-Stress reduzieren kannst, heißt es erstmal herausfinden, was genau dich stresst.

  • Welche wiederkehrenden Situationen sind belastend für dich als Fachkraft?
  • Was bewertest du als Stress und andere gar nicht? Kannst du die Sache mit einer anderen Perspektive neu bewerten? Wie könntest du zu mehr Gelassenheit im Umgang mit einem Punkt gelangen?
  • Welche persönlichen Stressoren haben Einfluss auf die Arbeit?
  • Wo und wann erlebst du die Kollegin als gestresst? Wie könnt ihr ein für beide/alle ein wertschätzendes und gewinnbringendes Gespräch darüber führen?
  • Was sind für die Kinder die herausfordernden Situationen? Hast du sie schon mal gefragt?

Grundlagen der Stressregulation

Nicht, WAS wir erleben,
sondern WIE wir empfinden, was wir erleben,
macht unser Schicksal aus.
Marie von Ebner-Eschenbach

Stressregulation heißt nicht, alle auslösenden Faktoren wegzunehmen. Das geht in der Regel auch nicht. Stressregulation heißt, belastende Situationen besser bewältigen zu können – und das ist bei jedem Menschen anders.

Wir unterscheiden zwischen langfristigen und kurzfristigen Strategien.

Langfristige Strategien sind nützlich bei wiederkehrenden Situationen, die vorhersehbar stressig werden. Dann kannst du versuchen, die Stressoren zu vermeiden, etwas strukturell verändern oder die Wirkung abschwächen.

Kurzfristige Strategien wirken in einer akuten Stress-Situation. Falls du den Stressor nicht verändern kannst, kannst du doch deine Reaktion darauf beeinflussen.

Die vier Hauptursachen von Stress sind laut dem kanadischen Mediziner Gabor Maté folgende:

  • Fehlende Informationen
  • Kontrollverlust
  • Unsicherheit
  • Konflikt

Daran orientiert, kannst du deine gefundenen Stressfaktoren betrachten. Wer braucht welche Informationen in welcher (geeigneten, altersgerechten) Form? Wie kannst du jemand ein Stück Kontrolle über eine stressige Situation geben? Wo brauchen Kinder Orientierung, um sich sicher zu fühlen? Welche Konflikte schwelen im Verborgenen? Wo gibt es Konflikte aufgrund unterschiedlicher Bedürfnisse?

Übrigens: Mehr zur Funktionsweise des Nervensystems in Bezug auf Stress liest du in meinem Artikel 5 Dinge, die Eltern übers Nervensystem wissen sollten.

Ideensammlung Stressprävention

  • Stelle Strukturen infrage: Müssen immer alle das gleiche zur gleichen Zeit machen? Stichwort: Garderobensituation.
  • Große Gruppen = hohe Lautstärke: Wie lassen sich Gruppen noch stärker aufteilen, Morgenkreise teilen, Gartenaufsicht anders regeln?
  • Zeitmanagement: Wofür planst du regelmäßig zu wenig Zeit ein? Oder anders gefragt: Wo packst du immer wieder zu viel Inhalt in die zur Verfügung stehende Zeit?
  • Übergänge (Mikrotransitionen) analysieren und sensibel gestalten: Wechsel von Aktivitäten, Räumen, Bezugspersonen sind oft mit frustrierenden Wartezeiten verbunden. Hier kann kluges Vorgehen Stress reduzieren.
  • Achte auf deine Kommunikation: Es gibt eine Sprache, die Druck und Stress mitbedingt. Mehr dazu liest du in meinem Artikel Stress und Sprache.
  • Stillsitzen ist nicht kindgerecht: Ob Kreis- und Bewegungsspiele, Bewegungsbaustellen im Turnraum, bewegtes Lernen in der Vorschul-Gruppe, kleine Aufträge im Haus erledigen – nutze so oft wie möglich Gelegenheiten für Bewegung. Wackelstühle, Stuhllehne zum Tisch hindrehen, Kirschkernkissen … lass die Kinder ausprobieren.
  • Ruhe und Entspannung: Wo gibt es Rückzugsmöglichkeiten für einzelne Kinder, z.B. Höhlen, Hängesessel, Ecken zum Ausruhen? Wie ist die Gestaltung der Mittagszeit, wann sind Entspannungsgeschichten passend?
  • Temperatur: Achte darauf, wer friert oder überhitzt wirkt und gib Anregung für Veränderung.
  • Selbstwirksamkeit erfahren: Altersgerechte Partizipation an Entscheidungen ermöglichen. Wer heute schon das eine oder andere Erfolgserlebnis hatte, kann die kleinen Frustrationen im Spiel leichter wegstecken.
  • Orientierungsrituale: Orientierung gibt Sicherheit. Ob Begrüßung am Morgen, Aufräumsignale, Essensspruch, Abschiedslied – Kinder brauchen tägliche haltgebende Rituale. Damit können sie Abläufe erinnern und bereiten sich mental auf den nächsten Punkt im Tagesablauf vor.
  • Körperwahrnehmung: Baue immer wieder gezielte Wahrnehmungselemente in den Alltag ein. Beispiel: Wer kann fünf Dinge sehen, vier Dinge fühlen, drei Dinge hören, zwei Dinge riechen und eines schmecken?
  • S-O-S Übungen kennen und einzelne im Alltag einbauen: Lies die Mitmach-Bilderbücher „Die Reise des Schmetterlings“ und „Jona ist wütend“ vor.
Kita-Stress reduzieren - Pin

Ideensammlung Umgang mit akutem Stress

  • Atmen: Bewusstes Atmen kann schon ein erster Schritt sein, Adrenalin abzubauen. Indem du dich auf dich konzentrierst und das Ausatmen etwas verlängerst, tust du dir etwas Gutes.
  • Mehr Bewegung: Bei akutem Stress ist Bewegung stimmungsregulierend. Freie Bewegung, am besten in Wald und auf der Wiese, entspricht dem kindlichen Naturell am besten. Natur ist Heilung und Quelle von Kreativität.
  • Essen und Trinken: Wer hungrig oder durstig ist, kann sich schlecht konzentrieren, wird leicht zappelig oder gereizt. Manchmal hilft es, ein-, zweimal ins Brot zu beißen, wenn die gemeinsame Mahlzeit noch eine Weile dauert. Ein vollwertiges, zuckerarmes, pflanzenbasiertes Angebot trägt dazu bei, mit den Herausforderungen des Alltags leichter umgehen zu können.
  • Grenzen respektieren: Ob es zu eng im Morgenkreis ist oder ein Kind in der Puppenecke mitspielen will – wenn andere Grenzen signalisieren, hat das einen Grund. Auch du magst es sicher nicht, wenn dir jemand zu nah auf die Pelle rückt oder du gerade lieber allein sein willst.
  • Co-Regulation: Das unterstützt Kinder (und Erwachsene) in akuten Konflikten. Hier findest du meinen ausführlichen Artikel dazu: Was ist Co-Regulation?
  • Humor: Lachen ist gesund und baut Stresshormone ab. Ob lustige Spiele, Witze-Wettbewerb oder Quatschreime erfinden, irgendwas geht (fast) immer. Tipp: Charmaine Liebertz „Das Schatzbuch des Lachens“
  • Singen: Beim Singen aktivieren wir eine Menge Gesichtsmuskeln, den ventralen Vagusnerv (unser soziales Kontaktsystem), regulieren den Herzschlag, die Atmung und die Anspannung. Das alles reduziert den Stress.
  • Spielen: Freude empfinden, Spaß haben, Gemeinschaft erleben. Achte darauf, dass du Kinder möglichst wenig aus dem Spiel reißt. Spiel mit, das tut auch dir gut.

Die Ideen sind natürlich völlig unterschiedlich und für unterschiedliche Stimmungen und Situationen geeignet. Ich setze dein Einfühlungsvermögen voraus, wann ein alberner Witz angemessen ist und wann nicht.

Fazit

Stress in der Kita reduzieren – das ist wie Abendessen. Es ist jeden Tag notwendig. Mal bist du kreativ und probierst was Neues aus, mal etwas Bewährtes. Mal holst du ein Fertiggericht aus der Tiefkühltruhe und merkst, dass es heute nicht schmeckt, ein anderes Mal gibst du den Kochlöffel dem Partner in die Hand. Lässt du es ausfallen, brauchst du wahrscheinlich am nächsten Tag mehr zu essen.

Schau, was dir und deiner Kita-Gruppe guttut, probiere immer wieder Neues aus und bleib im Austausch mit dem Team.

Hast du Interesse, das ausführlicher in deiner Einrichtung zu thematisieren? Dann melde dich bei mir für eine Fortbildung in deiner Kita.

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2 Kommentare

    1. Liebe Jutta, ich danke dir fürs Feedback. Gerade heute habe ich das Kinderbuch „Jona ist wütend“ von Kati Bohnet in einem Kindergarten vorgelesen. Die Kinder waren ganz aufmerksam dabei.
      Liebe Grüße, Heike

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