Meine Blog-Kollegin Korina Dielschneider hat zu einer neuen Blog-Parade eingeladen. Bei einer Blog-Parade sind Menschen aufgerufen, sich mit einem eigenen Beitrag, ihrer persönlichen Perspektive und Erfahrung an einem Thema zu beteiligen. Bei Korinas Thema „Hauptsache zufrieden?!“ geht es darum, wie sich die eigene Zufriedenheit (oder Unzufriedenheit) auf das unmittelbare Umfeld und das Wirken in der Welt auswirkt. Sie fragt: Ist Zufriedenheit nur eine abstrakte Worthülse oder steckt darin auch eine Handlungsaufforderung?
Korina Dielschneider ist Midlife Coachin, Bloggerin und Perspektivenentwicklerin für die zweite Lebenshälfte. Besondere Freude macht es ihr bei der (beruflichen) Neuorientierung, lang gehegte Wünsche freizulegen und nach außen zu bringen. Sie sagt: Zufriedenheit ist in erster Linie eine Entscheidung.
Und hier geht es zu Korinas Blog-Parade Hauptsache zufrieden?!
Was bedeutet Zufriedenheit für mich?
Als LINGVA ETERNA Sprach- und Kommunikationstrainerin beginne ich üblicherweise erstmal mit dem Wort selbst. Ich betrachte das Adjektiv „zufrieden“. Zu seiner Wortfamilie gehören unter anderem: Frieden, befrieden, befriedigen, friedlich, friedsam und natürlich Zufriedenheit.
Das darin enthaltene Wort Frieden bedeutet ursprünglich „Schonung, Freundschaft, nicht beunruhigt, befriedigt“.
Für mich ist hier der Frieden bedeutsam. Natürlich denke ich auch an den äußeren Frieden, in dem wir als Gesellschaft leben dürfen. Doch ich meine auch meinen Frieden mit den Menschen meiner persönlichen Umgebung, Familie, Freunden, Nachbarn, Gemeinde. Da gibt es sicher im Laufe des Lebens Höhen und Tiefen. Gleichermaßen gilt es mir als Aufforderung nach Möglichkeit meinen Frieden mit den Menschen zu machen. Das kann auch immer wieder eine echte Herausforderung sein. Und wahrscheinlich ist es auch ganz normal, dass nicht alles „Friede, Freude, Eierkuchen“ ist.
Zufrieden sein: Ich glaube tatsächlich, dass das eine Entscheidung ist. Zufrieden sein mit dem, was ich bin und nicht bin, was ich kann und was ich nicht kann, was ich leisten kann und was nicht, was ich habe und was ich nicht habe. Vielleicht hat das auch mit einem meiner Werte zu tun: Gelassenheit.
Halte ich es für möglich, immer zufrieden zu sein und ist das überhaupt erstrebenswert?
Auf der Website der Values-Academy findest du folgende Definition: Zufriedenheit ist die „vollständige wohlwollende Akzeptanz einer bestimmten oder allgemeinen Situation“.
Hm. Vollständig akzeptieren einer aktuellen Situation. Im Moment sein und bleiben. Soweit passt es. Ich habe allerdings auch im Blick, dass ich zum Erhalt beispielsweise meiner Kraft und Ausdauer oder meiner finanziellen Ressourcen auch Aktivität, Training oder Arbeit brauche. Zufriedenheit heißt für mich also nicht, das Leben in der Hängematte zu verbringen.
Vor einiger Zeit hat eine Frau Anfang 50, nennen wir sie Manuela, zu mir gesagt „Ich will nichts Neues mehr lernen im Leben.“ – Ich glaube, ich war so schockiert, dass mir die Spucke wegblieb. Soweit ich weiß, hält sie sich selbst nicht ganz daran. Zum Glück: Denn sie reist, probiert neue Rezepte aus, lernt die neue EDV in der Arztpraxis kennen, in der sie arbeitet.
Ich bin immer interessiert an neuem Wissen und Erfahrungen. Ob beruflich gerade das Nervensystem ein großes Thema ist oder das Kennenlernen anderer Lebensentwürfe auf Reisen – da bin ich einfach neugierig. Manchmal, nein, ganz oft sogar, macht mich das wieder zufriedener mit meinem Leben.
Und doch: Wieso halte ich meine Haltung zum Lernen für das absolut Richtige? Hauptsache, Manuela ist zufrieden mit dem, was sie kann und weiß. Vielleicht hat sie einfach nicht diesen Wissensdurst wie ich. Da wären wir wieder beim Akzeptieren.
Können Menschen auch unter widrigen Umständen zufrieden sein?
Sicher ist es leicht, in meiner aktuellen Lebenssituation zufrieden zu sein. Doch wie ist das unter widrigen Umständen? In den letzten Tagen habe ich das aktuelle GEO-Heft (Oktober 2023) gelesen. Einige Berichte zeugen davon, dass Menschen trotz großer Herausforderungen zufrieden sein können:
- Da ist ein Doktor der Philosophie, der aufgrund einer Schizophrenie immer wieder „den Verstand verliert“. Dennoch fühlt er sich in „normalen“ Phasen „voller Glückseligkeit“.
- In einem Aufforstungsprojekt in Nepal sollten innerhalb fünf Jahren 350.000 Bäume gepflanzt werden. Der Projektleiter stand vor großen Schwierigkeiten, die örtliche Bevölkerung dafür zu gewinnen. Im nun dritten Jahr haben die Dorfleute vor Ort eigenhändig 134.860 Bäume gepflanzt. Ich denke, der Mann ist zufrieden.
- Ein Artikel über Extrem-Frühchen und ihren Kampf ums Leben auf Intensivstationen und danach: Ein Vater erzählt, dass es ihm nichts ausmache, wenn sein Sohn langsamer sei als andere Kinder, solange er dabei nur glücklich sei. Er scheint mit der aktuellen Situation zufrieden.
Mein Mann lag vor einigen Jahren mit mehreren Brüchen im Krankenhaus. Zu Hause auf dem Nachttisch lag ein Krimi, der in Israel und den Palästinensergebieten spielte. Den brachte ich ihm, denn lesen ging zum Glück. Nach der Lektüre sagte er, dass er sich dabei bewusst geworden sei, wie gut es ihm doch gehe. Gut versorgt in einer sauberen Klinik, mit Aussicht auf Reha und häusliche Unterstützung war er trotz Verletzungen ganz zufrieden. Es ist also doch alles immer relativ.
Was müsste jemand tun, um maximal unzufrieden zu sein?
Da bin ich ganz spontan bei Jammern, lästern, sich beschweren. Ich bin davon überzeugt, dass du mit dieser Art der Kommunikation die schwierigen, unangenehmen, missglückten oder nervigen Dinge im Leben festhältst. Je mehr, je ausführlicher, je länger du darüber sprichst, desto mehr verstellst du dir den Blick für die Alternativen.
Natürlich ist es nicht sinnvoll bzw. reicht aus, diese Themen totzuschweigen oder in sich hineinzufressen. Sie entstanden aus einem unerfüllten Bedürfnis und sie erfordern wahrscheinlich eine Aktion (oder viele), Zusammenarbeit, Kreativität, Zuversicht. Zuversicht ist übrigens auch einer meiner wichtigen Werte.
Ich komme nochmal auf das GEO-Heft zurück. Da gab es einen Artikel über Martin Luther King und seinen Traum von der Gleichberechtigung. Die Schwarzen in den USA waren mit der Situation der Rassentrennung bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts ganz sicher unzufrieden. Doch alles Jammern und Klagen half nicht.
Was half, waren die gemeinsamen Aktionen, gegenseitige Unterstützung, Anklagen vor Gericht, der Appell an die Menschlichkeit und eine große, begeisternde Rede. „I have a dream.“
Das sind meine 3 Tipps für mehr Zufriedenheit
Du kennst sie wahrscheinlich, die Tipps zum Thema Dankbarkeit: Schreib dir täglich 5 Dinge auf, für die du dankbar bist. Dann wirst du auch mit dem zufrieden sein, was du hast/bist/kannst. Bestimmt hilft es auch ein Stück weit. Doch deine Kommunikation ist damit noch immer die alte.
Ich halte es für grundlegend, die eigene Sprache und die eigene Kommunikation in den Blick zu nehmen.
- Nimm die Wörter „zufrieden“ und „Zufriedenheit“ in deinen aktiven Wortschatz auf. Probier aus, wo sie passen. Schreib dir ein paar Sätze damit auf, um ein Gefühl dafür zu bekommen. Spiele damit. Schreib dir die Wörter auf Zettel und klebe sie an mehreren Orten in dein Sichtfeld. Dann wird es dir auch gelingen, sie jeden Tag zu benutzen. Und sei bitte ein wenig kreativer: „Hauptsache zufrieden“ reicht nicht 😉
- Achte darauf, wie häufig du etwas bewertest. In meinem PDF über „Das hast du toll gemacht“ (Vom Loben zur Wertschätzung bei Kindern) habe ich darüber ausführlich geschrieben. Mit der Anmeldung zu meinem Newsletter „Sprachnachrichten“ kannst du dir das PDF kostenfrei herunterladen. Übrigens: Auch wenn die Beispiele im PDF Kinder betreffen, du kannst ganz leicht einen Transfer in einen anderen beruflichen Alltag herstellen.
- Lass das Lästern hinter dir. Dazu empfehle ich dir meinen Artikel „Warum es mich stört, wenn Kita-Fachkräfte lästern„. Und in meinem PDF „Souverän mit Lästereien am Arbeitsplatz umgehen“ findest du Checklisten über Lästern, noch mehr über die Wirkung und 5 Tipps zum souveränen Umgang mit Lästern. Dieses PDF kannst du dir aktuell einfach für 0 € herunterladen.
Übrigens: „Hauptsache zufrieden“ halte ich für übertrieben. Es gibt so viele Werte und Wertesysteme, die ebenso wichtig sein können.
Liebe Heike, gerne habe ich deinen Beitrag gelesen. Mir gefällt der Tipp: Nimm die Wörter zufrieden und Zufriedenheit in deinen Wortschatz auf. Ich bin gespannt, was ich dabei entdecke und ob es einen Unterschied macht.
Herzliche Grüße
Silke
Liebe Silke, Wörter bewusst in den aktiven Wortschatz aufzunehmen, kann sehr wirksam sein und gilt natürlich auch bei anderen Themen. Ich wünsche dir viel Freude und interessante Erkenntnisse damit. Herzliche Grüße, Heike
Ein sehr interessanter Artikel, der mich zum Nachdenken bringt.
Die Redewendung: „Kann nicht klagen – bin zufrieden“ hat gefühlsmäßig für mich immer „es könnte besser sein“ in sich. Etwas ist OK, aber nicht fantastisch oder wunderbar. Was ja auch in Ordnung ist, denn nicht immer kann alles 100% sein.
Und wie du schreibst, alles ist relativ.
Liebe Uli,
mit „zum Nachdenken anregen“ habe ich genau das Ziel des Artikels erreicht. Das freut mich. Mit der Redewendung „kann nicht klagen“ geht es mir ähnlich. Dazu kommen bei mir noch ein paar sprachliche Impulse. Das „kann nicht“ erzeugt bei mir die Reaktion „dann lass es doch“. Und die Frage: Wenn du nicht klagen kannst, was kannst du dann stattdessen? Kannst du für etwas dankbar sein? Solche Themen schau ich mir dann im Coaching mit jemandem genauer an. Liebe Grüße, Heike
Liebe Heike,
die Zufriedenheit ins eigene Leben bringen, ist ein Akt der Entscheidung,
wie sehr ich dir da zustimmen kann!
Und auch den eigenen Sprachgebrauch dahingehend zu überprüfen, das negativ betonende durch positive Redewendungen auszustauschen.
Es könnte so einfach sein, oder?
Doch wer das erst einmal verstanden hat, ist auf einem guten Weg, letzten Endes hinein in die Zufriedenheit.
Danke für deinen wertvollen Gedankengang.
Viele Grüße
Gabi
Liebe Gabi, ich danke dir für deine wertschätzende Rückmeldung. Wir treffen täglich Entscheidungen. Und wir haben immer die Wahl, wie wir ein Ereignis betrachten. Herzliche Grüße, Heike